Staatsrechtler Boehme-Neßler kritisiert "Compact"-Verbot - epd medien

17.07.2024 14:12

Oldenburg (epd). Das Verbot des rechtsextremistischen Magazins "Compact" durch das Bundesinnenministerium verstößt nach Überzeugung des Oldenburger Staatsrechtlers Volker Boehme-Neßler gegen die Verfassung. "Das Grundgesetz räumt der freien Meinungsäußerung und damit der Pressefreiheit einen überragenden Stellenwert ein", sagte Boehme-Neßler der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" (Mittwoch, online). Die Meinung, Feinde der Pressefreiheit hätten keinen Anspruch auf Pressefreiheit, sei nicht vereinbar mit der Verfassung.

"Freie geistige Auseinandersetzungen sind die wirksamste Waffe gegen totalitäre Ideologien", sagte der Jurist Er gehe davon aus, dass das Verbot bei einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hätte. "Das Gericht hat immer wieder festgestellt: Ohne Pressefreiheit gibt es keine Demokratie."

Keine Hinweise auf konkrete Texte

Das Bundesinnenministerium hatte das nach dem Vereinsrecht erlassene Verbot am Dienstag damit begründet, dass sich "Compact" gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Das Magazin hetze "auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie", erklärte Ministerin Nancy Faeser (SPD).

Boehme-Neßler kritisierte, die Verbots-Begründung des Ministeriums belasse es bei allgemeinen Aussagen. "Ich vermisse Hinweise auf konkrete Aussagen oder Texte, die diese Behauptung stützen." Selbst ein Aufruf zu Mord würde nach Boehme-Neßlers Überzeugung kein Verbot des Verlages und einer Publikation als ganze rechtfertigen. "Das hätte strafrechtliche Folgen für den Autor und den Artikel." Das Recht auf freie Meinungsäußerung decke auch polemische, überzogene, emotionale oder gefährliche Äußerungen.

Kritik auch vom MVFP

Auch der Medienverband der freien Presse (MVFP) bewertete das Verbot als "schwerwiegenden Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Pressefreiheit". Eine Ermächtigungsgrundlage für das Verbot des Verlages nach dem Vereinsrecht erscheine rechtlich zweifelhaft und müsste letztlich durch die Gerichte und nicht von der Exekutive geschaffen werden, erklärte der MVFP am Mittwoch in Berlin.

Der MVFP Presse verurteile jede Form von Extremismus und distanziere sich ausdrücklich von den Inhalten des "Compact"-Magazins, hieß es. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungen als ihre Grundlage seien jedoch zentrale Elemente jeder gelebten Demokratie. Ihre Grenzen dürfen nicht politisch definiert werden, sondern seien durch das Strafgesetzbuch geregelt. Ein Verstoß gegen Strafgesetze sei von der Innenministerin nicht vorgetragen worden, monierte der Verband.

lnb/rid



Zuerst veröffentlicht 17.07.2024 14:37 Letzte Änderung: 17.07.2024 16:12

Schlagworte: Rechtsextremismus, Medien, Verfassung, Pressefreiheit, Compact, NEU

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