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25.10.2024 13:14

Die ZDF-Comedyserie "BFF - Best Family Forever" zeigt einen Kreis von Freundinnen und Freunden, die neue Familienmodelle ausprobieren wollen. Aber ob das Co-Parenting funktioniert, kann sich erst in der zweiten Staffel zeigen.

Lena und Nikita sind beste Freundinnen

epd Lena (Anna Schimrigk) und Nikita (Karmela Shako) sind BFFs (Best Friends Forever) seit ihrer Kindheit. Inzwischen um die 30, gehören sie zu den letzten kinderlosen Frauen in ihrem Freundeskreis. Für Lena kein Problem. Partyleben und Karrierestart zu vereinbaren, das ist für sie schwierig genug. Nikita dagegen will unbedingt schwanger werden und ein Baby bekommen. Sex gleich Befruchtung, damit kommt Freund Mark (David Vormweg) immer weniger klar. Vor allem, wenn das Kopulieren hastig im Bad von Lenas WG stattfindet, Nikita nur an ihren Eisprung und ans Beenden denkt, während draußen lautstark Geburtstag gefeiert wird.

Dann platzt auch noch Lena rein, die dringend pinkeln muss. Alle drei schauen auf das seltsame Objekt in der Kloschüssel. Ein benutztes Kondom. Das etwa vier Wochen in Lena schlummerte und Zeit hatte, die Spermien eines ihrer vielen Sexpartner auf die Reise zu schicken.

Alternative Familienmodelle

Dann findet Nikita bei Frauenärztin Dr. Sharma (knochentrocken: Gisa Flake) heraus, dass sie unfruchtbar ist. Lena verscherzt es sich mit ihrer Juradozentin Sieglinde Flocki (Marie-Lou Sellem) und das Paar Flo (Anton Weil) und Raúl (Nico Stank) verkündet, dass es mit Juli (Johanna Wieking) ein Co-Parenting-Team bilden will. Lena erfährt, dass sie tatsächlich schwanger ist, will das Kind aber keinesfalls. Das ist erst der Anfang des durch Freundschaften gebändigten Chaos, das in "BFF - Best Family Forever" Handlungsdynamik garantiert.

Die achtteilige ZDFneo-Serie "BFF" richtet sich an ein junges Publikum. Dieser Satz könnte auf manche alarmierend wirken. Die Bemühungen der Sender, sich, aber vor allem ihr Publikum zu verjüngen, wirken insbesondere in der Fiktion häufig peinlich und gehen selten gut aus.Doch "BFF" ist nicht nur komisch, die Serie ist auch politisch. Sie zeigt bei aller Ernsthaftigkeit der verhandelten Themen (alternative Familienmodelle, Co-Parenting, Bindungsangst und Fürsorgesehnsucht) überwiegend Optimismus und unkonventionelle Lösungen. Und ist dabei ganz und gar nicht oberflächlich.

Mancher mag sich daran stören, dass die Schauplätze von "BFF" öfter Toiletten sind - aber wo besprechen Frauen ihre Gefühle? Wo findet schneller Sex statt? Eben. Gekotzt wird auch viel. Erst hat die eine der beiden Hauptfiguren, Lena, das Kotzen wegen ihrer Hangovers, dann wegen der ungewollten Schwangerschaft. Entscheidend aber ist nicht der durchaus auch derbe Humor, sondern die Gefühlswärme, die "BFF" bei allen Problemen geradezu kuschlig macht.

Idelae Freundinnen-Konstellation

Auch Flo, Raúl und Juli sind Freunde. Das schwule Paar möchte unbedingt Verantwortung für ein Kind übernehmen, die Freundin möchte ihnen behilflich sein, ist dann allerdings schwer beleidigt, als Jurastudentin Lena einen Zivilvertrag aufsetzt, der alles Wichtige regeln soll.

Nikita und Lena beschließen, dass ihre Freundinnen-Konstellation eigentlich ideal ist, um gemeinsam die ungeheure Verantwortung zu tragen, die ein Kind bedeutet. In der Co-Parenting-Gruppe im Café Regenbogen machen alle ernst mit dem Satz "It Takes a Village to raise a child". Hier lernt Lena Milan (Slavko Popadic) kennen, der unbedingt Vater werden, aber keine Beziehung will. Praktisch, dass Lena Sex mag, aber keine Intimitäten.

Streit und Versöhnung

Es gibt sehr lustige Szenen in "BFF": Die Demonstranten vor der Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstelle applaudieren, als sich Nikita und Lena babybejahend in den Armen liegen. Bis eine Protestiererin bemerkt: "Das sind ja zwei Frauen!" Sofort setzt die Empörung wieder ein. Lustig ist auch die Nebenhandlung um die bestgehasste Ex-Schulfreundin Amelie (Eva Luca Klemmt), die nun als Traum aller "Momfluencerinnen" das Babykriegen verherrlicht und als Hebamme bald heiß begehrt ist.

Sehr lustig ist auch Lenas Bewerbungsgespräch für das Jurareferat in der Kanzlei von Dozentin Flocki, die die Hochschwangere gerade deswegen einstellt, "weil sie ihre Prioritäten auf der Reihe habe" und im Übrigen das Erlebnis der ersten Lebensjahre eines Kindes für überbewertet hält: "Sie erinnern sich ohnehin nicht daran."

Es gibt viel Streit, oft ist jemand beleidigt, fühlt sich übergangen, übervorteilt, dann versöhnt man sich wieder. Alle versuchen, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu leben, aber ohne unverbindlich zu sein. Das klassische Familienmodell freilich hat hier für alle ausgedient. Entmutigung gilt nicht. Denn eins können alle: Freunde sein. Besonders Lena und Nikita, die sich auf dem Weg zum Co-Parenting mehr als einmal wieder zusammenraufen müssen.

Co-Parenting mit Höhen und Tiefen

Alle müssen sich arrangieren, handeln Nähe und Distanz, Wahlfamilie, Erziehungsarbeit und Liebesbeziehungen aus. Dabei gilt nur eine eiserne Regel: Kein Fleisch in Lenas und Nikitas Haushalt. Die übrigens weder ein Liebespaar sind noch werden. Diese "Female-Buddy-Serie", geschrieben von Hauptdarstellerin Anna Schimrigk und ihrer Freundin Nina Rathke (zusammen mit Johannes Rothe) und leichthändig inszeniert von Ester Amrami, funktioniert deswegen so gut, weil sie ihren Witz aus den Charakteren nimmt. Selbst Nebenfiguren mit Kurzauftritten reden individuell und auf den Punkt.

Das Buch ist zündend geschrieben, es zeigt Co-Parenting mit Höhen und Tiefen, aber auch als vorbildliches gesellschaftliches Modell - allerdings erst einmal in der Möglichkeitsform. Die Serie endet mit mehreren Geburten. Erst danach wird sich die Tragfähigkeit der Absichten und Pläne dieser Freunde zeigen, wenn man verfolgen kann, wie sich durchwachte Nächte, Blähungen, Stillprobleme, Zahnen und vielleicht Behördenärger auf die Freundschaften auswirken. "BFF" braucht unbedingt eine Fortsetzung.

infobox: BFF - Best Family Forever", achtteilige Comedy-Serie, Regie: Ester Amrami, Buch: Nina Rathke, Anna Schimrigk, Johannes Rothe, Kamera: Omri Aloni, Produktion: Bantry Bay Productions (ZDF-Mediathek seit 25.10.24, ZDFneo ab 5.11.24 dienstags, 21.45-22.25 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 25.10.2024 15:14 Letzte Änderung: 25.10.2024 15:15

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Comedy, Serie, Amrami, Rathke, Schimrigk, Rothe, Hupertz, NEU

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