"Meinungsfreiheit sichern" - epd medien

12.07.2024 07:30

Die Medienaufseherin Eva Flecken hat in ihrer Begrüßung zum DLM-Symposium "Vielfalt schützen, Freiheit sichern - 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland" am 23. April in Berlin als zentrale Aufgabe der Landesmedienanstalten benannt, Vielfalt im Dualen Rundfunksystem zu gewährleisten. Da Rundfunk Kultur- und Wirtschaftsfaktor sei, brauche es einen rechtlichen Rahmen zur Sicherung der Anbieter- und Meinungsvielfalt, sagte die Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Wir dokumentieren den Vortrag in einer von der DLM zur Verfügung gestellten Fassung.

Medienaufsehern Eva Flecken zur Vielfalt im Dualen Rundfunksystem

Eva Flecken auf dem DLM-Symposium

Sehr herzlich begrüße ich Sie hier in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mitten in Berlin. Draußen vor der Tür der imposante Gendarmenmarkt, der seine Imposanz derzeit aus der Fülle an Bauzäunen zieht und eine unpassierbare Baustelle ist. Diesmal werden allerdings nicht einstürzende Neu- oder Altbauten gestützt, Verkehrsknotenpunkte gelockert oder Kulturhäuser gebaut. Nein, ich habe nachgeschaut. Es geht um barrierefreie und zugleich denkmalgeschützte Pflastersteine sowie um nachhaltiges Regenwassermanagement. Wenn man so möchte, geht es also um geschichtsbewusste Teilhabe und nachhaltiges Wirtschaften.

Einige ahnen es schon, das lasse ich mir nicht entgehen, um eine Brücke zum heutigen Nachmittag zu bauen. Sollten Sie diese Überleitung zum Symposium der Medienanstalten für zu gewagt halten, verspreche ich Ihnen, dass ich Sie im Gegenzug mit "Begegnungen" aus dem "Maschinenraum" oder dem "Bergwerk" der Regulierung zumindest rhetorisch verschone.

"Blick zurück auf die Geschichte des Rundfunks"

Geschichtsbewusste Teilhabe und nachhaltiges Wirtschaften also. Ein Spannungsfeld, dem wir uns heute widmen möchten. Geschichtsbewusst schon deshalb, weil das erstens nie schaden kann, schon gar nicht, wenn deutsche Medienregulierer einladen. Und zweitens, weil wir heute auch einen Blick zurückwerfen werden, nämlich auf die Geschichte des Rundfunks.

In üblicher Social-Media-Manier frage ich in Bezug auf das Jahr 1984: Wo waren Sie, als Howard Carpendale die totgerittene neue deutsche Welle vom Charts-Thron schubste, um mit "Hello Again" einen Platz in den Top Ten zu ergattern?

Wo waren Sie, als Orwells 40 Jahre zuvor geschriebener Klassiker "1984" das Jahr der Gegenwart bezeichnete und es die digitalen Überwachungsdystopien - vor allem nach der Volkszählung in 83 - auf die Titelseiten schafften? "Stern": "Die Deutschen werden durchleuchtet", "Spiegel": "Der Orwell Staat". Zugegeben, mit der Apokalypse lässt sich bis heute Geld verdienen, zumindest, wenn sie mit Filterkaffee gereicht wird, wie zwei unserer Gäste wissen.

Wo waren Sie, als "Franky Goes To Hollywood" von der BBC verbannt wurde, weil sie mit "Relax - Don’t do It" den Orgasmus besangen?

Wo waren Sie, als es Armbanduhren mit UKW-Empfänger und Kopfhöreranschluss gab?

Wo waren Sie, als die Deutsche Post Kupferkabel verlegte, um den "Urknall des Privatfernsehens" zu ermöglichen?

Wer heute den öffentlichen Diskurs prägt und wie

"Vielfalt schützen, Freiheit sichern - 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland" - so haben wir unser diesjähriges Symposium überschrieben. Wir möchten mit Ihnen zurückblicken, auf das, was vier Dekaden duale Rundfunkordnung mit sich gebracht haben. Was die Einführung des privaten Rundfunks für unsere Meinungsbildung bedeutete. Wie im Rundfunkbereich neben die Eigenschaft eines Kulturguts das Wirtschaftsgut trat und beide Seiten dieser Medaille bedient werden mussten. Als also die nachhaltige (im Sinne von robust, tragfähige) Medienwirtschaft auch im Audiovisuellen wesentlicher Bestandteil des Meinungsbildungsprozesses wurde.

Wer heute den öffentlichen Diskurs prägt und wie.

Wie sich Erlösmodelle ändern und wie aus medialer Vielzahl (schiere Quantität medialer Angebote) eine wirksame Vielfalt der Meinungen wird.

Who says what to whom in which channel with what effect and intention?

"Erwartungen des Publikums"

Dafür haben wir sowohl die erwähnten selbsternannten Urknallveteranen als auch die heutigen Gegenwartskrieger eingeladen. Wobei ich sehr hoffe, dass dieses kriegerische Bild, das ich hier durch die Attribuierung zeichne, allein stilistisches Mittel und nicht etwa Alltagserfahrung unserer Gäste ist.

Ich freue mich auf eine erste Hälfte, die ja, auch nach hinten schaut, aber nicht nur. Unsere Gäste kommen insbesondere aus der medialen Gegenwart und haben sicherlich auch den Anspruch deren Zukunft mitzugestalten. Sie zeigen uns, wie wir Informationsvielfalt garantieren können, was es für nachhaltiges (im Sinne von robustes) Medienwirtschaften braucht und was die Erwartungen des Publikums eigentlich sind.

Im zweiten Teil möchten wir aus der konkreten Praxis der Medienschaffenden heraustreten und näher darauf eingehen, welchen rechtlichen Rahmen es braucht, um nicht nur eine Anbietervielfalt, sondern auch eine Meinungsvielfalt hinzubekommen.

Dazu gehört auch, dass wir Meinungen hören, sehen, lesen, ja auch mal ertragen, die nicht unsere eigenen sind. Oft gesagt, tausendfach zitiert: Es gibt kein Recht auf Widerspruchsfreiheit.

Wer einmal auf diesem Erregungslevel ist, dem ist schwer zu begegnen

Ich sage das deshalb, weil einige Menschen Rechtsdurchsetzung - und dazu gehören auch mal Verbote - als unzulässige, ja gefährliche Beschränkung der Meinungsfreiheit framen. Schnell betiteln und beschreien sie rechtsstaatliches Handeln und das Anwenden und Durchsetzen geltender Gesetze als Zensur.

Wer einmal auf diesem Erregungslevel ist, dem ist schwer zu begegnen. Dieser Krawall rund um konkrete Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung zeugt meines Erachtens bestenfalls von einem großen Missverständnis, im schlechteren Fall von einem narzisstischen und damit für die Gesellschaft giftigen Verständnis von Freiheit.

"Gesetze brauchen Aktzeptanz"

Womit ich den Ton gesetzt haben dürfte, den unser Impulsgeber nach der Pause vermutlich anschlagen wird. Denn im zweiten Teil des Nachmittags wird Professor Doktor Bernhard Pörksen über Krisen sprechen. Viele von Ihnen kennen ihn aus ebenso pointierten wie anschaulichen Artikeln aus der "Zeit" dem "Spiegel", aber auch weil Markus Lanz ihn schon eingeladen hat. Bernhard Pörksen ist mit seinen Debattenbeiträgen eine Seltenheit seines Faches Kommunikationswissenschaft, denn sein Anspruch ist: verständlich, integrativ und auch zugespitzt zu kommunizieren, statt Deklaratorisches, Abstraktes und Wohlmeinendes zu senden. Er wird uns an seinem Blick auf die Gegenwart und ihre kommunikativen Krisen teilhaben lassen.

Das sich anschließende Panel befasst sich damit, wie wir diesen Krisen begegnen - begegnen müssen. Wir haben es mit "Grundlagen der Demokratie" überschrieben und es klingt danach, dass wir damit ganz oben ins Regal greifen wollen. Ja, stimmt, wollen wir.

Gesetze brauchen Akzeptanz. Rechtsdurchsetzung, also Regulierung auch. Akzeptanz beim Regulierungsadressaten, aber auch bei denjenigen, die es zu schützen gilt. Dabei sind nicht nur das Ziel des Gesetzgebers, der Adressatenkreis und die einzusetzenden Instrumente relevant.

"Feld der Meinungsfreiheit"

Rechtsdurchsetzung muss auch effektiv sein und von den richtigen Stellen ausgeführt werden - gerade im sensiblen Bereich der Medienregulierung. Denn hier bewegen wir uns mit einem Bein immer auch im Feld der Meinungsfreiheit.

Wer den zur Bewältigung dieser Gegenwartskrisen passenden Rahmen setzt, wer ihn umsetzt und welche konkreten Maßnahmen es zur Zielerreichung braucht, darüber sprechen unsere Gäste des zweiten Panels. Mit dieser Runde aus Politik, Medienwirtschaft und Regulierung beschließen wir den Tag und ich darf mich dann noch einmal von Ihnen verabschieden.

Apropos Rausschmeißer. Kennen Sie diesen typischen Panelausklang, bei dem der Moderator oder die Moderatorin einen Satzanfang vorgibt, den alle Auf-Der-Bühne-Sitzer vervollständigen dürfen?

Lassen Sie uns die Köpfe heiß diskutieren.

Zum Beispiel, vervollständigen Sie bitte:

"In den kommenden fünf Jahren muss der Gesetzgeber ..." "Wenn wir uns hier nächstes Jahr wiedersehen, ..." "Wirksame Medienkompetenz braucht ..."

Ich finde das ganz schrecklich. Erstens ist dafür meine Schlagfertigkeit zu unterentwickelt. Zweitens beleidigt es meine Eitelkeit, denn offenbar hätte ich alles statt in minutenlange Beiträge auch in einen Satz verpacken können. Damit unsere Panelist:innen von dieser Bürde befreit werden und ich Torben Klausa - unseren seinerseits überaus schlagfertigen und sehr geschätzten Host des Nachmittags - nun in die Verlegenheit bringe, seine Moderationskarten wegzuwerfen, mache ich den Vorschlag, dass ich in gut drei Stunden - also bei der Verabschiedung - zwei Sätze vervollständige.

Und nein, das habe ich nicht vorbereitet, das muss sich wirklich aus dem Programm hier ergeben:

"Meinungsvielfalt ist gesichert, wenn ..." "Gesetze und Rechtsdurchsetzung brauchen, um wirksam zu sein, ..."

Wie ich der Berliner Presse entnehmen konnte, ist die eingangs erwähnte Riesenbaustelle auf dem Gendarmenmarkt übrigens im Zeitplan. Damit wir es auch sind, steigen wir jetzt in unser Programm ein. Lassen Sie uns heute also mit dem, was war, in die Zukunft schauen. Lassen Sie uns darum ringen, was es braucht, damit Vielfalt auch in Zukunft ankommt. Lassen Sie uns die Köpfe heiß diskutieren, wie wir unser höchstes demokratisches Gut, unsere Meinungsfreiheit, sichern können - und müssen. Denn das ist es wert.

infobox: Eva Flecken ist seit 2021 Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) und seit Januar Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) und der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). Davor leitete sie als Vice President bei Sky Deutschland die Bereiche Regulierung, Jugendschutz und Politik für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz.

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Zuerst veröffentlicht 12.07.2024 09:30 Letzte Änderung: 12.07.2024 15:39

Schlagworte: Medien, Privater Rundfunk, Landesmedienanstalten, Symposium, Flecken Dokumentation, NEU

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