Früher Feierabend - epd medien

09.01.2025 09:10

Mit "Fake News - Alles erstunken und erlogen" hat ProSieben einen satirischen Rückblick auf das Jahr 2024 geboten, der mit hübschen Gags die Aufmerksamkeit für mit Künstlicher Intelligenz gefakte Bilder schärfte.

Linda Zervakis und Benni Stark im Nachrichenstudio von "Fake News"

epd Wenn Noch-Kanzler Scholz in einer Ansprache kritisch über sein "Luftpumpen-Charisma" spricht, wenn Alice Weidel, zugeschaltet "aus ihrem Luftschutzbunker in der Schweiz", den AfD-Plan ankündigt, Essen mit ö und ü zu verbieten (inklusive "Kölschs"), wenn sich der rätselhafte Titelstar von "The Masked Singer" als Altkanzlerin Merkel entpuppt - dann sehen wir natürlich mit Künstlicher Intelligenz gestaltete Bilder. Beziehungsweise da "tritt die KI übelst in die Pedale", wie es in der gefakten Scholz-Ansprache heißt.

All diese Szenen finden sich im satirischen Jahresrückblick "Fake News - Alles erstunken und erlogen", den Linda Zervakis in bewährter Nachrichtensprecherinnen-Pose flott vor Kölner Studio-Publikum präsentierte. In vielen jeweils mit "KI-generiert"-Warnhinweisen rechts unten versehenen Einspielfilmen zeigt sich auch auf größeren Fernseh-Bildschirmen, wie täuschend echt KI-Fälschungen längst wirken. Etwa, wenn zu echten Aufnahmen aus dem Bundestag Politikern recht lippensynchron eine Debatte über Dubai-Schokolade in den Mund gelegt wird, in der die grüne Außenministerin Annalena Baerbock "feministische Frühstücksbrotpolitik" ankündigt. Oder bei überwiegend gefakten Bildern, die Passagiere einer fliegenden Boeing zeigen, die es nicht stört, dass eine Tür herausfiel, weil alle auf ihre Smartphones stieren und einige das auch noch für eine Raucherpause auf den Flügeln nutzen.

Bei einer Maß bleibt's halt selten.

Darüber hinaus setzt "Fake News - Alles erstunken und erlogen" auf klassisches Kabarett in Form gespielter Witze. Im Studio wirkten Katrin Bauerfeind und Benni Stark mit und verkleideten sich unter anderem als spanischer Fußballer Marc Cucurella, dessen Handspiel im Europameisterschafts-Spiel gegen Deutschland nicht geahndet wurde. Solcher Humor kann nie alle überzeugen, vom johlendem Kölner Studio-Publikum vielleicht abgesehen. Die Flut der öffentlich-rechtlichen Polit-Comedy hat dazu geführt, dass Kabarett- und Comedy-Spielarten wie Verkleidungs-Humor und Stimmenpersiflage überholt wirken.

Manche Gags besitzen aber Pfiff, zum Beispiel, wenn Sandra Maischberger mit KI-gefälschter Stimme fragt "Messen Sie da nicht mit zweierlei Maß?", und Markus Söder antwortet: "Ja bei einer Maß bleibt's halt selten."

Die eine oder andere Szene hätten öffentlich-rechtliche Programme vielleicht nicht gewagt: Etwa Straßenwahlkämpfer zu zeigen, die nicht nur mit Fähnchen fast aller Parteien, sondern gleich mit der Wahlurne unter dem Arm und Wahlzetteln unterwegs sind: "Wenn Sie hierhin schreiben: plus meine Frau ..."

Hübscher Gag

Für die ansehnlichen KI-Fakes gilt im Kern, was die Brainpool-Produktion zum Abschluss Außenministerin Annalena Baerbock in den Mund legt: Solange Fälschungen als Satire zu erkennen sind, schärfen sie die Aufmerksamkeit. Und möglichst viel Medienkompetenz im Umgang mit Fakes aller Art und aller Niveaus wird 2025 zweifellos gefordert sein.

Den aus Sicht des Medienkritikers hübschesten Gag bekam Sandra Maischberger in den Mund gelegt: "Ich glaube, das Thema ist damit durch und wir können heute früher Feierabend machen." Dass sie oder ein anderer Talkshowmoderator das jemals sagen könnte, liegt leider außerhalb des Vorstellungsvermögens.

infobox: "Fake News - Alles erstunken und erlogen", Satire-Show mit Linda Zervakis, Produktion: Brainpool (ProSieben, 18.12.24, 21.20-22.20 Uhr, Joyn, seit 18.12.24)



Zuerst veröffentlicht 09.01.2025 10:10

Christian Bartels

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KProSieben, Joyn, Zervakis, Show

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