"Washington Post": Unmut über CEO William Lewis - epd medien

14.06.2024 07:32

Washington (epd). Bei der finanziell angeschlagenen US-Hauptstadtzeitung "Washington Post" herrscht nach dem Rücktritt von Chefredakteurin Sally Buzbee weiter Unruhe. Unter den Beschäftigten herrscht Unmut über CEO William Lewis: Man wisse nicht, ob die Zeitung "vor einer größeren Verlagerung der Werte und Standards" steht, schrieben die "Post"-Medienjournalistinnen Elahe Izadi und Sarah Ellison am 10. Juni in einem Beitrag mit der Überschrift "Die 'Post' am Scheideweg".

Die 58 Jahre alte Buzbee führte die Redaktion seit 2021, am 2. Juni teilte der Verlag mit, dass sie von ihrem Posten zurückgetreten sei. Gründe für ihr Ausscheiden wurden nicht genannt.

Britischer Abhörskandal

Die Konkurrenzzeitung "New York Times" berichtete am 5. Juni vom angeblich angespannten Verhältnis zwischen Buzbee und CEO Lewis. Dieser habe sich im Mai angeblich bei Buzbee gegen die Veröffentlichung eines Textes über seine mögliche Rolle bei der Aufarbeitung des berüchtigten britischen Abhörskandals von 2011 gestellt. Journalisten aus dem Medienimperium Rupert Murdochs hatten jahrelang Telefone prominenter Persönlichkeiten abgehört.

Die "Post" publizierte den von Lewis angeblich beanstandeten Text am 21. Mai dennoch. Darin heißt es, ein Richter in England habe mutmaßlichen Hacking-Opfern gestattet, bei einem Zivilprozess Beschuldigungen vorzubringen, wonach "ehemalige und gegenwärtige Führungskräfte von Murdoch versucht hätten, Beweise zu verbergen, darunter William Lewis, gegenwärtig der Verleger und CEO der 'Washington Post'". Lewis bestritt seine Teilnahme an der Vertuschung.

Streit mit NPR-Journalist

Der Journalist David Folkenflik vom nicht-kommerziellen Hörfunknetzwerk NPR (National Public Radio) berichtete am 7. Juni, Lewis habe ihm ein exklusives Interview über die Zukunft der "Post" angeboten. Er müsse aber die Abhörgeschichte fallen lassen. Lewis erklärte daraufhin in der "Post", Folkenflik sei kein Journalist, sondern ein Aktivist.

Interimsweise übernimmt der ehemalige "Wall Street Journal"-Chefredakteur Matt Murray die Leitung der "Post". Im Herbst kommt Robert Winnett, derzeit Vize-Chefredakteur der britischen Telegraph Media Group. Mit beiden hat Lewis bereits in früheren Funktionen zusammengearbeitet. Lewis kündigte tiefgreifende Neuerungen in der Redaktion an, um die Leserzahlen der finanziell angeschlagenen Zeitung zu steigern.

Die "Post" gehört seit 2013 dem Amazon-Gründer Jeff Bezos, einem der reichsten Menschen der Welt. Bezos ernannte Lewis Ende 2023 zum CEO. Medienjournalist Jack Shafer stellte einem "Politico"-Beitrag die Frage, ob Bezos angesichts der Glaubwürdigkeitskrise an Lewis festhalten will.

ege



Zuerst veröffentlicht 14.06.2024 09:32

Schlagworte: Medien, USA, Presse, Verlage, Washington Post, Lewis, Buzbee, Ege

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