Medien wehren sich gegen Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes - epd medien

13.09.2024 14:54

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hatte in einem Bericht über die russische Desinformationskampagne behauptet, dass Beiträge der "Berliner Zeitung", des "Freitags" und der "Jungen Freiheit" "anscheinend grundsätzlich ins russische Narrativ passen". Nachdem sich diese Medien dagegen gewehrt haben, wurde der Bericht geändert.

München/Berlin (epd). Mehrere Medien haben sich gegen einen Bericht des Bayerischen Verfassungsschutzes gewehrt, nach dem einige ihrer Inhalte "anscheinend grundsätzlich ins russische Narrativ passen". Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) hatte am 12. August einen Bericht über die russische Desinformationskampagne "Doppelgänger" veröffentlicht, in dem es darlegte, wie Medieninhalte für Desinformation genutzt werden. Wie das Landesamt am 11. September mitteilte, wurde der Bericht inzwischen wegen "inhaltlicher Missverständnisse" verändert.

Der Bayerische Verfassungsschutz hatte für seinen Bericht zwei für die "Doppelgänger"-Kampagne genutzte Server analysiert. Dem Bericht zufolge hat der Akteur hinter "Doppelgänger" nicht nur Nachrichtenseiten nachgebaut und mit Falschmeldungen bestückt, sondern auch Originalseiten von Medien verlinkt, deren Inhalte zum Narrativ der Kampagne passen. Dass dies auf ihre Inhalte zutreffe, bezeichnete die "Berliner Zeitung" als "diffuse und unwahre Unterstellung". Die "Junge Freiheit" hatte das Landesamt am 10. September aufgefordert, Passagen des Berichts zu löschen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. "Der Freitag" hatte den Verfassungsschützern vorgeworfen, "einen Skandal zu suchen". Der Chefredakteur von "Tichys Einblick", Roland Tichy, erklärte, es sei ein "ungeheuerlicher Vorgang, wenn eine Behörde eine angebliche Untersuchung ohne erkennbare Belege dazu benutzt, um regierungskritische Medien herabzusetzen und deren Ansehen mit Falschbehauptungen zu beschädigen".

Pro-russische Narrative

In der neuen Version der Publikation stellt das BayLfV klar, dass der Akteur hinter "Doppelgänger" einzelne Artikel der erwähnten Medien genutzt und verbreitet habe. Nun heißt es dort: "Es ist naheliegend, dass die betreffenden Inhalte aus Sicht des Akteurs das russische Narrativ unterstützen bzw. dass die Verbreitung entsprechender Inhalte anderweitig im Interesse des Akteurs liegt." Das Landesamt unterstelle den betroffenen Medien nicht, von der Nutzung gewusst oder diese befürwortet zu haben. Es bewerte die Inhalte der Webseiten nicht.

Das Auswärtige Amt hatte bereits am 5. Juni Erkenntnisse über "Doppelgänger" veröffentlicht. Danach ist die Kampagne "eine der größten bisher entdeckten Desinformationskampagnen weltweit", die "pro-russische Narrative und Desinformation streut". Der Akteur betreibe auf X und weiteren sozialen Medien Hunderttausende Fake-Accounts (Bots), die unter anderem Links zu gefälschten Nachrichtenartikeln verbreiteten.

Vermeintliche Nachrichtenportale

Das BayLfV zählte nun mehr als 700 verschiedene Zielwebseiten solcher Links. Die Zielwebseiten seien zum Teil Fälschungen bekannter Nachrichtenportale wie "Spiegel.de", auf denen dann Falschnachrichten veröffentlicht würden, die die deutsche Unterstützung der Ukraine unterminieren sollten. Laut Auswärtigem Amt wurde beispielsweise behauptet, dass die Bundesregierung die eigene Bevölkerung vernachlässige oder dass Sanktionen gegen Russland wirkungslos seien. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass der Akteur Künstliche Intelligenz nutzt, um Texte zu generieren oder aus dem Russischen zu übersetzen.

Das Landesamt weist in seinem Bericht darauf hin, dass die gefälschten Webseiten täuschend echt aussähen. Erkennen könne man sie an Domain-Endungen wie ".ltd" oder ".pm" anstelle von ".de". Mit den Falschnachrichten bestücke der Akteur auch eigene Webseiten. Das BayLfV listet 16 solcher vermeintlicher Nachrichtenportale auf, darunter "derleitstern.com" oder "arbeitspause.org". Darüber hinaus habe "Doppelgänger" auch einzelne Originaltexte deutscher Nachrichtenseiten aus dem Kontext gerissen und verlinkt. Als Beispiele werden einzelne Artikel der "Berliner Zeitung", der "Jungen Freiheit" und von "Der Freitag" genannt, ebenso wie einzelne Inhalte von "Focus" oder dem NDR.

Gefälschte Zitate

Die Kampagne ist dem Bericht zufolge über die Werbeverwaltungssoftware Keitaro gesteuert worden. Für den Zeitraum von Mai 2023 bis Juli 2024 seien knapp 8.000 Desinformationen über Facebook und X verbreitet worden. Zielländer der Kampagne seien vor allem Deutschland, Frankreich, die USA, die Ukraine und Israel gewesen. Auf diese fünf Länder entfielen insgesamt 90 Prozent, allein auf Deutschland etwa 28 Prozent der Desinformationen.

Laut BayLfV hat der Akteur außerdem Klickstatistiken und Nutzerdaten erhoben. Diese zeigten, dass durch "Doppelgänger" in 250 Tagen ab November 2023 mehr als 800.000 Klicks erzielt und mehr als 750.000 User erreicht worden seien. Diese Zahlen bilden die Reichweite der Kampagne vermutlich nur teilweise ab: Das Auswärtige Amt hatte in seinem Bericht betont, dass "Doppelgänger" neben gefälschten Nachrichtenartikeln auch Kurzvideos auf Youtube und Tiktok, gefälschte Zitate deutscher Prominenter oder gefälschte Screenshots verbreite. Auf Facebook würden auch Ukraine-kritische Werbeanzeigen geschaltet.

Hinweise auf den russischen Ursprung von "Doppelgänger" lieferten sowohl der Bericht des Auswärtigen Amts als auch die Publikation des Bayerischen Verfassungsschutzes: Den Angaben des BayLfV zufolge ist die Administration der Server von russischen IP-Adressen erfolgt. Zudem sei die Kampagne vor allem zu Bürozeiten in der Moskauer Zeitzone aktiv und zu russischen Feiertagen auffallend ruhig gewesen. Als Reaktion auf russische Desinformationskampagnen wie "Doppelgänger" hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Juni eine Regierungsstelle gegen ausländische Desinformation eingerichtet.

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Zuerst veröffentlicht 13.09.2024 16:54

Schlagworte: Medien, Russland, Desinformation, Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz, Freitag, Berliner Zeitung, Junge Freiheit, lh, BER, NEU

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