Vampir wider Willen - epd medien

19.09.2024 09:16

In einem Berliner Keller lebt seit mehr als 100 Jahren der Vampir Igor. Nachdem der Burgerladen-Besitzer Eddie in der Joyn-Serie "Upir" von Igor gebissen wurde, muss er Sklavendienste für diesen verrichten.

Eddie (Fahri Yardim) wird von Vampir Igor (Rocko Schamoni) gebissen

epd Die Figur des Grafen Dracula, des Vampirs mit Adelstitel, ist wohlbekannt, vielleicht ein bisschen angestaubt. In der Serie "Der Upir" wagt Joyn den Versuch, Vampirgeschichten ins urbane Berlin zu versetzen. Burgerladen-Besitzer Eddie (Fahri Yardim) stößt bei einer Hausbesichtigung auf den seit über 100 Jahren im Keller eingeschlossenen Vampir Igor (Rocko Schamoni), der Eddie beißt und so in einen Upir verwandelt, also zum Sklaven eines Vampirs. Eddie muss Igor nun 30 Tage lang dienen, um nicht für alle Ewigkeit zum Vampir zu werden.

Wird Eddie also nach einem Monat wieder zum Mensch werden? Dass die achtteilige Serie "Der Upir" auf die Beantwortung genau dieser Frage hinauslaufen wird, ist schon in er ersten Folge zu erahnen. Die Kerndramaturgie der gesamten Staffel ist somit leider schnell klar. Diesen wenig überraschenden Verlauf weiß "Der Upir" mit weiteren Handlungssträngen und prominent besetzten Nebenrollen immerhin auszuschmücken. Vampirjäger Uwe (Bernhard Schütz) etwa findet in Eddies Kumpel Andi (David Scheid) einen Komplizen für seine Jagd auf die blutrünstigen Wesen und schafft so einen Nebenschauplatz für komische Momente.

Schräge Zehenamputation

Während Eddie seine neue Identität vor seinen Liebsten verbirgt, braucht Igor Eddies Hilfe für einen Wahlkampf. Den Posten des Clan-Anführers hat ihm zwischenzeitlich nämlich eine mysteriöse Vampirin streitig gemacht. Die Hausbesuche bei Igors Clankollegen führen ihn und seinen Upir in immer neue kuriose Settings. Dort kommen sie als unperfektes Duo den Bitten anderer Vampire nach - bis hin zur herrlich schrägen Zehenamputation.

Das Drehbuch verlässt sich in all den kuriosen Momenten, in die Eddie auf dem Weg zum Vampir wider Willen hineinstolpert, sehr auf Situationskomik. Das mag nicht nur wegen Yardim als Hauptdarsteller an die Joyn-Serie "Jerks" erinnern, die bekanntlich auch mit Situationskomik und trockenen Dialogen punkten konnte. Doch in "Der Upir" kommen fantasy-typische Elemente hinzu, die die beiden Serien deutlich voneinander unterscheiden: Ob Blutsaugen, ewiges Leben, Sonnenlicht, scharfe Zähne oder die Fähigkeit zu fliegen - hier ist alles möglich.

Absurde Situationen

Der bei einer Vampirserie zu erwartende Grusel aber will sich nicht recht einstellen, dafür eher ein Ekelgefühl. In den meist nicht sehr reinlich gestalteten Settings kommt es oft zu blutigen Szenen, etwa als Vampir Igor beim Abendessen angeschossen wird und stark verwundet auf einen Krankenhausbesuch verzichtet. Oder auch als Eddie im heimischen Badezimmer den benutzten Tampon seiner Partnerin aus dem Mülleimer fischt, blutrünstig daran zuzelt wie an einer Weißwurst und, als die Partnerin das Bad betritt, notgedrungen den gesamten Tampon in seinem Mund versteckt. Wer tickt wie ein Vampir, seine Gelüste im Umfeld nichtsahnender Mitmenschen aber zu verbergen versucht, gerät in absurde Situationen - die Serie scheut sich nicht, das zu zeigen.

Es muss aber nicht immer eklig sein, wenn es komisch werden soll. Das beweisen all jene Momente, in denen Upir Eddie mit anderen Anzeichen seiner Verwandlung in einen Vampir überfordert ist, etwa wenn er vor dem Supermarktregal plötzlich unkontrolliert zu fliegen beginnt und sich am Regal festklammernd einem anderen Kunden erklärt, er sei oben nicht herangekommen.

Amüsant anders

Auch weitere Vampir-Konventionen werden in komischen Situationen und trocken humorigen Dialogen ironisch aufgegriffen. Igor legt sich tagsüber zum Schlafen in einen Kleiderschrank, fühlt sich dabei aber wohler, wenn sein Upir im Zimmer bleibt, bis er wirklich eingeschlafen ist. Und als sich ein anderer Vampir gegenüber Igor dafür rechtfertigt, dass er eine für Vampire hochgefährliche "Sonnenmaschine" im Bad hat ("In den 40er Jahren habe ich damit Nazi-Vampire gefoltert!"), kommentiert Eddie trocken: "Heute redet man mit Nazis."

Auf diese Weise gelingt es der für eine Comedy ungewöhnlich düsteren Serie, die Gegensätze zwischen Vampir und Mensch und zwischen alten Vampirmythen und modernem Leben in Berlin durch skurrile, aber die Handlung nicht wirklich weiterführende Momente witzig aufzubereiten. Es ist aber vor allem den überzeugend gespielten Charakteren zu verdanken, wenn man der erwartbaren Storyline folgt. "Der Upir" mit Vampiren in Absurdistan ist eine erzählerisch zwar dünne, aber amüsante Alternative zu all den "Twilight"-Filmen und -Serien der letzten Jahre.

infobox: "Der Upir", achtteilige Comedyserie, Regie, Buch und Idee: Peter Meister, Kamera: Nikolai von Graevenitz, Produktion: UFA Fiction (Joyn, ab 18.9.24)



Zuerst veröffentlicht 19.09.2024 11:16 Letzte Änderung: 19.09.2024 18:18

Lukas Respondek

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Streaming), KJoyn, NEU

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