Nur scheinbar bunt - epd medien

09.10.2024 08:10

In der Serie "Where's Wanda" von Apple TV+ verschwindet die 17-jährige Wanda eines Tages nach einem Streit mit ihren Eltern. Da die Suche der Polizei nach der vermeintlich Entführten schleppend vorangeht, nehmen die Eltern die Sache selbst in die Hand.

Heike Makatsch und Axel Stein spielen die Eltern einer verschwundenen Tochter

epd Alles so schön hell hier. Was Apple TV+ als "düstere Komödie" ankündigt, überrascht mit einem strahlenden Überbelichtungs-Look. Als scheine über der fiktiven deutschen Ortschaft Sundersheim, die inszeniert wird wie eine amerikanische Vorstadt, ständig die Sonne.

"Where's Wanda?" hat zwar einen englischen Titel, ist aber die erste deutsche Serie von AppleTV+ und wurde von UFA Fiction produziert. In den Brand Style Guide von AppleTV für Videoproduktionen würde man gerne mal reingucken. Ohne diese Gelegenheit zu haben, muss man aus dieser und anderen Serien, die auf dem Portal laufen, folgern, was da wohl drinstehen könnte. Mit Sicherheit etwas von wiedererkennbarer Optik, schön und wertig muss es aussehen, wie die technischen Geräte. Die Firma verdankt ihren Erfolg nicht zuletzt ihrem Design.

Die Eltern werden aktiv

Was vermutlich nicht in so einem Guide steht, was die meisten Apple-Serien aber kennzeichnet, ist, dass sie enorm in die Länge gezogen sind. Auch diese. Spart wohl Geld. Erst ab Folge fünf wird die Geschichte von Wanda spannend. Die vier Folgen davor hätte man auf ein bis zwei zusammenstreichen können.

Was bei Apple TV+ auch sehr augenfällig ist: Diversity. Doch dazu später, zunächst zum Plot, der eigentlich gar nicht nach Komödie klingt, hier aber als eine inszeniert wird. Die 17-jährige Wanda (Lea Drinda) verschwindet am Tag der "Nuppelwocken"-Nacht nach einem Streit mit ihren Eltern Carlotta und Dedo (Heike Makatsch und Axel Stein) spurlos. Der Nuppelwocken ist ein grimmiges Monster aus dem international als Klischee bekannten deutschen Märchenwald und die Sundersheimer Lokal-Legende. Einmal im Jahr kostümieren sich die Menschen im Ort und es gibt eine Straßenparade - wie in deutschen Kleinstädten eher an Fastnacht üblich.

Weil die Polizei bei der Suche nach Wanda keinen Erfolg hat und manches darauf deutet, dass das Mädchen irgendwo in der Nähe gefangen gehalten wird, werden die Eltern selbst aktiv. Sie installieren heimlich Überwachungstechnik bei ihren Nachbarn und decken so ein paar gut gehütete Geheimnisse auf. Das klingt leider witziger als es ist - oder anders gesagt: Die Idee hätte deutlich mehr Potenzial gehabt, als hier genutzt wurde.

Der tolle Cast hätte mehr gekonnt

So hält beispielsweise Nachbar Hessel (schön traurig-versumpft: Joachim Król) seine demente Frau in einem Zimmer gefangen, um sich mit einer Altenpflegerin zu vergnügen. Der wesentlich jüngeren Frau geht es allerdings nur um sein Geld.

Wer mit AppleTV+ hinreichend Geduld hat, erfährt irgendwann, dass hinter allem ein übler Wildtier-Dealer-Ring steckt, der in Sundersheim schon in der zweiten Generation sein Unwesen treibt. Das Ende zeigt deutlich, dass man sich eine Fortsetzung der Serie offen halten will.

Apple TV+ macht sich mit der ästhetischen Cleanheit seiner Serien und dem geringen Erzähltempo viel kaputt. So ist hier ein toller Cast versammelt, der mehr gekonnt hätte, als er durfte. Auch die Anlehnung an US-Ästhetik und entsprechende Inhalte nervt. Man sieht hier wesentlich mehr Menschen mit dunkler Hautfarbe, als man in der deutschen Provinz tatsächlich antrifft. In Sundersheim ist nicht nur die Kommissarin (Nikeata Thompson) schwarz, nein, auch das Love-Interest von Wanda. Und auch die Ballett-Truppe der Kinder ist deutlich divers. Was leider nicht vorkommt und in Deutschland sehr viel plausibler wäre, sind türkischstämmige Menschen. Apple schafft hier eine diverse Welt, die es gar nicht gibt und die nur scheinbar bunt ist.

Politisch korrekt

Dabei wäre es eigentlich eine gute Sache, auf Vielfalt zu achten. Einigermaßen gelungen ist das im Fall von Wandas Bruder Ole (Leo Simon). Der Teenager kann ohne Hörgeräte nichts hören, doch diese Behinderung kein Thema der Serie. Es ist einfach so. Er ist Bruder, nicht Gehörloser oder Schwerhöriger. Wie viele Menschen mit wenig Gehör spricht er eigentümlich. Und wenn die Eltern nerven, nimmt er die Hörgeräte raus und genießt das. Auch andere Menschen hätten gern "Ohrenlider". Ob Ole nun auch noch unbedingt schwul sein müsste, damit auch wirklich alles politisch korrekt abgearbeitet wird, sei dahingestellt.

In den ersten Folgen nervt das Rückblicks-Gewurstel mit gewollt originell und viel zu zahlreich eingeblendeten Tagen ("Tag 85", "Tag 44"). Schade, dass "Where's Wanda" nicht mehr Spaß macht, denn in Sprache und Stoff wirkt die Serie weniger trutschig und heutiger als viele deutsche andere Fernsehproduktionen. Doch insgesamt ist sie zu steril, zu reißbrettartig und künstlich, um zu überzeugen.

infobox: "Where's Wanda?", achtteilige Serie, Regie: Christian Ditter, Tobi Baumann, Facundo Scalerandi, Buch: Oliver Lansley, Zoltan Spirandelli, Kamera:Jalaludin Trautmann, Produktion: UFA Fiction (Apple TV+, seit 2.10.24, jeweils mittwochs eine neue Folge)



Zuerst veröffentlicht 09.10.2024 10:10 Letzte Änderung: 09.10.2024 15:27

Andrea Kaiser

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KAppleTV+, Serie, Ditter, Baumann, Scalerandi, Lansley, Spirandelli, Kaiser, NEU

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