09.11.2024 09:10
epd Achtsamkeit wird gern in Kursen zur Stressbewältigung gelehrt. Es gilt unter anderem als Methode zur Verminderung von Leiden. Für den Anwalt Björn Diemel (Tom Schilling) in der Serie "Achtsam morden" ist auch genau das das Ziel, als er sich - eher widerwillig und nur auf Drängen seiner Ehefrau Katharina (Emily Cox) - bei einem Seminar anmeldet, das ihn in Sachen Work-Life-Balance weiterbringen soll. Denn Diemel leidet ziemlich viel. Bei der Arbeit, weil er in der Kanzlei kleingehalten wird, sich aber trotzdem vor allem um Gangsterboss Dragan Sergowicz (Sascha Gersak) und dessen dreckige Geschäfte kümmern muss. Und privat, weil er ebenso zäh damit ringt, dass für Tochter Emily nie Zeit bleibt und die Gattin entsprechend sauer ist.
Bald stellt sich heraus, dass das mit der Achtsamkeit unter Anleitung seines Coaches (Peter Jordan) für Diemel ziemlich schnell ziemlich gut funktioniert. So gut sogar, dass das mit dem Leiden ins Gegenteil umschlägt, weil er vor lauter Tiefenentspannung und Fokussierung plötzlich sehr klar sieht, wie er für seine Kleine der bestmögliche Vater sein und im Job die richtigen Prioritäten setzen kann. Anders ist das für den Mann in seinem Kofferraum, der stattdessen die volle Breitseite Leiden abbekommt. Denn der bis dato unbescholtene Anwalt lässt ihn dort so lange buchstäblich schmoren, bis nur noch eine Leiche übrigbleibt, die es zu entsorgen gilt.
Dass Diemel, nur halb beabsichtigt (und nicht bloß einmal), zum Mörder wird und womöglich nicht nur die Polizei auf den Fersen hat, verrät "Achtsam morden" nach dem Bestseller von Karsten Dusse gleich zu Beginn der ersten von acht Folgen. Im Anschluss enthüllt jeder Episodenauftakt einen ersten Clou, bevor die Geschichte das Ganze noch mal von vorn erzählt.
Dieser narrative Kniff ist eines von vielen Elementen in dieser von Head-Autor Doron Wisotzky und Regisseurin Martina Plura verantworteten Serie, die ein wenig unausgegoren, wenn nicht gar überflüssig wirken. Auch dass der Protagonist seine eigene Story mal aus dem Off und mal direkt in die Kamera erzählt, dass mitunter visuelle Spielereien auch noch dem letzten Zuschauer überdeutlich das Geschehen erklären und dass der Grad der Überzeichnung arg schwankt, fällt in diese Rubrik.
"Achtsam morden" ist nie so abgründig wie die US-Serie "Dexter" und nie so witzig wie "Barry", doch allein die Tatsache, dass man diese beiden legendären Antihelden als Vergleich bemüht, darf diese deutsche Netflix-Produktion aus dem Hause Constantin als großes Kompliment verstehen. Irgendwo zwischen Gangsterkrimi und schwarzer Komödie findet die Serie zusehends ihren eigenen Rhythmus und Charme, auch weil Tom Schilling sich der Rolle mit Wonne annimmt. Vor allem dafür lohnt sich das Streamen, nicht so sehr für die erzählerischen Mätzchen.
infobox: "Achtsam morden", achtteilige Serie nach dem Buch von Karsten Dusse, Regie: Martina Plura, Max Zähle, Boris Kunz, Buch: Doron Wisotzky, Anneke Janssen, Michael Kenda, Kamera: Monika Plura, Frank Küpper, Produktion: Constantin Film (Netflix, seit 31.10.24)
Zuerst veröffentlicht 09.11.2024 10:10 Letzte Änderung: 11.11.2024 09:47
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Fernsehen), NEU
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