29.06.2024 08:26
epd Wenige Ehepaare dürften so viele Gemeinsamkeiten haben wie Steffi Graf und Andre Agassi: Als Kinder von überambitionierten Vätern zu kleinen Tennissoldaten gedrillt, später Weltklassespieler, die als junge Menschen im Tenniszirkus des ausgehenden 20. Jahrhunderts ihre Kunststücke vorführen mussten. Wimbledon-Gewinner, Sieger auf den Tennisplätzen der Welt und Verlierer. Sie teilen die einzigartige Erfahrung, als berühmte Promis in einer Modesportart erwachsen zu werden.
Dabei wirkten die beiden Sportler damals so unterschiedlich, dass sich Außenstehende wundern konnten, warum ausgerechnet diese zwei am Ende ihrer Karriere zusammenfanden. Auf der einen Seite Steffi, der vom Vater dressierte deutsche "Tennisroboter" (Agassi über Graf, als er sie noch nicht persönlich kannte) mit der unvorteilhaften Frisur. Auf der anderen Seite der notorisch coole und impulsive Ami Andre mit viel eitlem Wallehaar, der zunächst die Hollywood-Schönheit Brooke Shields erfolgreich umwarb und heiratete.
Ausgesprochen überzeugend zeigt dieser Film, dass Äußerlichkeiten eben nur Äußerlichkeiten sind. Die Menschen Andre und Steffi, wie der Film sie zeigt, gehören fast schon zwingend zueinander. Hinter beider Fassaden stecken Persönlichkeiten, die sich von ihrem öffentlichen Image deutlich unterscheiden. "Roboter" Steffi erweist sich als höchst menschlich und verfügt über mehr Herz, Humor und wohl auch Verstand als man ihr damals ansah. Und beim üppigen Haupthaar des Tennis-Beau Andre handelte es sich tatsächlich um eine Perücke, wie er Steffi in einer rührenden, symbolischen Szene offenbart.
Beide von ihren Vätern seelisch und körperlich geschundene Kinder, die entsprechende Verletzungen und Entwicklungsdefizite mit sich herumtragen, zeigen sich und erkennen einander. Ihre Kinder, so der Schwur der beiden am Ende des Films, werden mit Tennis niemals etwas zu tun bekommen.
Das Biopic erzählt die Erfolgsgeschichte der Tennisstars der 90er Jahre nach. Ihre Erfolge, ihre Misserfolge. Wie sie sich kennenlernen, wieder aus den Augen verlieren, andere Partner haben - und doch immer voneinander angezogen bleiben. Bis es eines Tages so weit ist: Andre ist geschieden und Steffi serviert ihren langjährigen Lebensgefährten in diesem Film derart kurz entschlossen und energisch ab wie früher so manche Gegnerin auf dem Platz.
Der Film ist mit Lena Klenke und Toby Sebastian als Protagonisten sehr gut besetzt. Und die Maske hat nicht übertrieben. Michael Kessler, der Steffis Vater Peter Graf physiognomisch tatsächlich ähnelt, darf hier einen so eindimensionalen Schurken geben, dass es ihm ziemlich viel Spaß gemacht haben dürfte.
Das zu sehen, ist unterhaltsam, zumindest wenn man aus der Generation stammt, die in den 90er Jahren schon Anteil an den beiden deutschen Tenniswunderkindern Graf und Becker genommen hat. Boris Becker kommt in dem Film übrigens nicht vor. Während Steffi ihr nicht gerade leichtes Schicksal samt Sexgeschichten und Steuerkriminalität des Vaters allem Anschein nach gut bewältigt hat, nach der Karriere aus dem Scheinwerferlicht trat und offensichtlich in ein Leben nach dem Tennis fand, machte sich Boris öffentlich zur Witzfigur und endete pleite im Knast.
Und wenn man nicht aus der Boomer-Generation stammt? Dann sieht man eine Romanze irgendwelcher albern frisierter Sportler von früher. Leider wird der Film gegen Ende etwas länglich und kitschig. Schade, das hätte man sich sparen können. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gallenberger es nämlich längst geschafft, einem eine Version der Liebesgeschichte von Graf und Agassi zu erzählen, die man versteht und glaubt.
infobox: "Perfect Match", Film, Regie: Florian Gallenberger, Buch: Florian Gallenberger, Chris Silber, Kamera: Federico Schlatter, Produktion: Bravado Media GmbH, MarVista Entertainment, Bravado Equity GmbH (Amazon Prime Video, seit 29.6.24)
Zuerst veröffentlicht 29.06.2024 10:26 Letzte Änderung: 29.06.2024 20:17
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KFilm, Gallenberger, Silber, Kaiser, NEU
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