Mit großer Hingabe - epd medien

30.06.2025 08:18

In acht Folgen präsentiert die ZDFneo-Serie "Nighties" ein in die Jahre gekommenes Münchner Hotel in Bahnhofsnähe und sein Personal. Die Serie erfreut durch viele Anspielungen, meint Tilmann Gangloff.

ZDFneo-Comedyserie "Nigthies"

Hotelchefin Millie (Tamara Romera Ginés) am Ende ihrer Kräfte

epd Ständige Nachtarbeit ist nicht gesund, weder für den Körper noch für die Seele. Trotzdem gibt es Menschen, die gerne Nachtdienste verrichten. Ob sie sich selbst als "Nighties" bezeichnen würden, sei dahingestellt. Schon die ersten 90 Sekunden der ZDF-Serie "Nighties" wecken die Hoffnung, dass Melina Natale - die Serie ist ihr Debüt als "Creatorin" und Chefautorin - gemeinsam mit dem Regie-Duo Matthias Koßmehl und Suki M. Roessel etwas Besonderes gelungen ist, und der Prolog verspricht nicht zu viel.

"Nighties" spielt im "Prinzenhof", einem Münchener Hotel in Bahnhofsnähe, dessen Charme sich mit viel Wohlwollen als "in die Jahre gekommen" bezeichnen ließe. Seine Glanzzeit, wenn überhaupt, hatte das Haus vermutlich in den 1960ern, wie die angestaubte Einrichtung vermuten lässt. Trotzdem strahlt es zumindest innen eine gewisse Behaglichkeit aus.

Anspielungen und Verbeugungen

Das Personal geht seiner Arbeit mit großer Hingabe nach. Das dürfte vor allem an der Chefin liegen: Millie (Tamara Romera Ginés) hat den "Prinzenhof" von den Großeltern geerbt. Mit ihren vier Angestellten verbindet sie weit mehr als bloß ein kollegiales Verhältnis. Die Episoden sind in sich abgeschlossen, die Reihenfolge ist im Grunde egal, weil es keine horizontalen Handlungsstränge gibt.

Die Serie vermittelt den Eindruck, als hätten die Beteiligten so viel wie möglich ausprobieren und ihr Publikum durch eine Vielzahl an Anspielungen erfreuen wollen. Nahezu jede Folge ist von einer Referenz geprägt: In der Episode "Die Nacht mit dem Ring" will Millie ihr Personal mit Sachen belohnen, die die Gäste vergessen haben. Darunter ist auch ein kostbarer Ring, um den erbitterten gestritten wird. Sogar die Chefin verwandelt sich vorübergehend in Gollum.

In der "Nacht mit dem Schmetterling" - eine Anspielung auf den Butterfly-Effekt - gerät Millie in eine Zeitschleife, die erst stoppt, als sie lernt, die ständigen Beschwerden eines Gastes mit einem beherzten "Nein!" zu beenden.

Stilistisches Kleinod

Ein stilistisches Kleinod ist "Die Nacht, in der es nicht brannte". Diese vorletzte Folge haben Matthias Koßmehl und Kameramann Felix Striegel als Hommage an die amerikanischen Krimis der "Schwarzen Serie" aus den 1940er und 50er Jahren gestaltet. Das Spiel mit Licht und Schatten erinnert an Carol Reeds Spionage-Thriller "Der dritte Mann" (1949). Auch akustisch unterscheidet sich diese Episode, in der Millie ihre Freundin und Türsteherin Adriana (Stella Goritzki) bittet, einen rätselhaften Brand aufzuklären, deutlich von den anderen: Die Szenen werden von einer Musik (Anna Kühlein) untermalt, die ebenfalls den Klassikern nachempfunden ist.

Viele Ideen am Rande machen die Serie zu einem Fest für Genre-Fans: In der "Film noir"-Folge erklingt das gepfiffene Motiv aus "M - eine Stadt sucht einen Mörder", und in "Die Nacht mit ohne Ruhe" inszeniert Koßmehl jeden Auftritt eines schlaflosen Gasts als Horrorfilmmoment. Der Kontrast zum Kehraus könnte kaum größer sein.

Der Titel "Die Nacht der trinkenden Toten" ist zwar nicht ganz korrekt, denn niemand stirbt, aber die Parallele zur Mutter aller Zombie-Filme, George A. Romeros "Nacht der lebenden Toten" (1968), ist durchaus angebracht: Während des Oktoberfests ist statt des bestellten Festbiers versehentlich ein Fass Starkbier geliefert worden - umgehend verwandeln sich die Gäste in Zombies, die dem Personal an die Wäsche wollen - für diesen Dreh hat Regisseurin Roessel offenbar das Motto "Außer Rand und Band" vorgegeben.

Mit großer Grandezza

"Nighties" lebt nicht nur von den Einfällen, sondern vor allem vom Ensemble. Die Serie ist schon wegen Tamara Romera Ginés sehenswert. Die Rheinländerin mit spanischen Wurzeln stahl bereits in "Balko Teneriffa - Doppelt hält besser" (2022, RTL) Jochen Horst und Ludger Pistor die Show. Auch die weiteren Mitwirkenden holen mehr aus ihren Klischeerollen heraus, als eine flüchtige Figurenbeschreibung erwarten ließe. Barmann Rafael (Ben Felipe) zum Beispiel hat ein Gedächtnis wie ein Goldfisch und auch nicht viel mehr IQ, ist Millie aber ebenso treu ergeben wie die südländisch temperamentvolle Köchin Franca (Mariananda Schempp).

Star des Hauses ist jedoch Charles. Adnan Maral versieht den stets geschniegelten Rezeptionisten auch in potenziell peinlichen Momenten mit großer Grandezza. Aus Sicht des Fünf-Sterne-Concierge ist der "Prinzenhof" eine billige Absteige, aber wo hätte jemand wie Ryan Gosling mehr Privatsphäre als hier? Natürlich würde sich kein Hollywood-Star je in dieses Etablissement verirren, doch die Pointe von "Die Nacht mit dem VIP" ist eine ganz andere.

infobox: "Nighties", achtteilige Comedy-Serie, Regie: Matthias Koßmehl, Suki M. Roessel, Buch: Melina Natale, Julian Adiputra Witt, Sharyhan Osman, Kamera: Felix Striegel, Mathias Prause, Produktion: Network Movie München (ZDF-Mediathek ab 27.6.25, ZDFneo, ab 1.7.25 dienstags, 21.45-22.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 30.06.2025 10:18

Tilmann Gangloff

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Comedy, tpg, Gangloff, KZDF

zur Startseite von epd medien