06.05.2024 10:32
Rom (epd). In Italien sind Mitarbeiter der Sendeanstalt Rai am Montag in einen 24-stündigen Streik getreten. "Die Journalisten streiken für die Verteidigung der Autonomie und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber der allgegenwärtigen Kontrolle durch die Politik", heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft Usigrai, die auf der Internetseite der Rai veröffentlicht wurde. Die Journalisten kämpften weiter dafür, dass die Bevölkerung ausgewogen, zuverlässig und pluralistisch informiert werde.
Die Gewerkschaft kritisierte weiter, dass das Nachrichtenangebot im Entwicklungsprogramm der Anstalt nicht erwähnt werde. Außerdem würden Kollegen, die in Rente gehen, nicht durch Nachwuchskräfte ersetzt - stattdessen würden bevorzugt Freiberufler eingesetzt. Die zweite Gewerkschaft der Sendeanstalt, die Unirai, beteiligte sich nicht an der Arbeitsniederlegung. Sie bezeichnete den Streik als "politisch motiviert".
Seit mehreren Wochen wird in Italien über die Unabhängigkeit der Rai diskutiert. Rai-Mitarbeiter monieren, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von den rechtsnationalen Fratelli d'Italia wolle die Sendeanstalt zu einem Verlautbarungsorgan der Regierung machen. Nach ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 hatte die Regierung hochrangige Rai-Manager ausgetauscht. "TeleMeloni" wird die Rai deshalb in Kommentaren häufig genannt.
Die Opposition wirft der Regierung vor, ihren Einfluss auf die Sender immer weiter auszubauen. So sollten beispielsweise im Europawahlkampf die Minister der Regierung mehr Redezeit erhalten, was gegen das Prinzip des "par conditio" verstoße, wonach alle Parteien gleich viel Redezeit erhalten sollen. Gegen die Pläne gab es großen Protest. Ob diese weiter verfolgt werden, ist unklar.
Die Debatte erlangte ihren bisherigen Höhepunkt, als ein Redebeitrag des Schriftstellers Antonio Scurati von der Rai kurzfristig abgesagt wurde. Scurati sollte zum 25. April, dem Tag der Befreiung von der Besetzung Nazideutschlands, eine Rede verlesen. Nach Ansicht des Autors hatte die Absage politische und ideologische Gründe, der Sender begründete die Entscheidung mit der Höhe des Honorars. Scurati wurde für seine Werke mehrfach ausgezeichnet, vor allem für seine Auseinandersetzungen mit dem Faschismus.
Meloni wird seit ihrem Amtsantritt vorgeworfen, das Wort "Antifaschismus" nicht in den Mund zu nehmen. Die 47-Jährige wird vor allem im Ausland oft als "Postfaschistin" bezeichnet. Ihre Partei Fratelli d'Italia ist Nachfolgerin des Movimento Sociale Italiano (MSI), in dem sich nach dem Zweiten Weltkrieg Sympathisanten und Gefolgsleute Mussolinis versammelten. Der Faschismus sei heute kein Thema mehr, entgegnete Meloni auf die Vorwürfe.
In Italien ist es Usus, dass die amtierende Regierung, egal ob links oder rechts, einen starken Einfluss auf die Rai-Sender ausüben möchte. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2016 unter der Regierung des Sozialdemokraten Matteo Renzi ist dies noch leichter möglich. Bis dahin war es üblich, dass die unterschiedlichen Sender der Rai unter den Parteien und deren Proporz quasi "aufgeteilt" waren. Seit der Reform 2016 ist die Rai weniger von den Parteien und dafür mehr von der Regierung abhängig.
Die Rai hat etwa 12.000 Angestellte. Die Fernsehsender der Rundfunkanstalt kommen auf einen Marktanteil von etwa 36 Prozent.
asf
Zuerst veröffentlicht 06.05.2024 10:03 Letzte Änderung: 06.05.2024 12:32
Schlagworte: Italien, Medien, Rundfunk, Arbeit, Streik, asf, Meloni, Scurati, NEU
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