17.05.2024 15:55
Hamburg (epd). Der NDR-Rundfunkrat hat mehreren Programmbeschwerden gegen die TV-Dokumentation "Deutsche Schuld - Namibia und der Völkermord" stattgegeben. Der Rundfunkrat fällte die Entscheidung am Freitag in Hamburg mit knapper Mehrheit. Die Dokumentation, die im September im NDR ausgestrahlt wurde, thematisiert die von Deutschen zur Kolonialzeit verübten Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama. Außerdem geht es um wirtschaftliche Ungerechtigkeit in Namibia.
Das Gremium rügte mehrere Punkte, darunter "das Auslassen von wesentlichen Informationen zur Geschichte und Entwicklung Namibias nach dem Ende der Kolonialzeit bis heute". Der Rundfunkrat folgte mit seiner Entscheidung einer Empfehlung seines Programmausschusses. Von den anwesenden 43 Ratsmitgliedern stimmten 22 dafür, den Beschwerden stattzugeben. 20 Mitglieder votieren dagegen, es gab eine Enthaltung.
NDR-Intendant Joachim Knuth wurde vom Rundfunkrat angewiesen, den festgestellten Verstoß gegen Vorgaben des NDR-Staatsvertrags "künftig zu unterlassen". Das heißt, der NDR darf die Dokumentation nicht mehr ausstrahlen oder in der ARD-Mediathek zugänglich machen. Knuth bezeichnete die Sendung in der Sitzung als "missglückt" und kündigte an, dass diese nicht erneut verbreitet werde.
Die Dokumentation sei als Presenter-Format angelegt gewesen, erklärte Knuth. Es müsse künftig geprüft werden, bei welchen Themen sich solche Formate - bei denen ein prominenter Journalist durch die Doku führt - eigneten. Presenterin in dem Film "Deutsche Schuld", den die Firma Eikon im Auftrag von NDR, MDR, RBB und SWR produziert hatte, ist die Moderatorin Aminata Belli.
Der Rundfunkrat forderte den Intendanten außerdem dazu auf, gegenüber dem Programmausschuss innerhalb von sechs Monaten zu mehreren Punkten Stellung zu nehmen. Eine Frage lautet, ob das Presenter-Format weiter bei Dokumentationen eingesetzt werden soll und welche inhaltlichen und persönlichen Anforderungen an Presenter und Presenterinnen gestellt würden. Daneben soll sich Knuth dazu äußern, wie die Einhaltung der Qualitätsmaßstäbe des NDR durch die zuständigen Redaktionen sichergestellt werde.
In der Rundfunkratssitzung wurde über die Programmbeschwerden rund eine Stunde lang diskutiert. Es zeigte sich, dass es zwei Gruppen gab: eine, die für die Annahme der Programmbeschwerde plädierte, und eine, die keinen Verstoß gegen die staatsvertraglichen Vorgaben aussprechen wollte, gleichwohl aber Fehler in der Dokumentation thematisierte. Der Vorstand des Rundfunkrats hatte noch einen alternativen Beschlussvorschlag vorgelegt, der keinen Verstoß gegen den Staatsvertrag festgestellt, aber Fehler in der Dokumentation konstatiert hätte. Über diesen alternativen Vorschlag wäre nur abgestimmt worden, wenn die Beschlussempfehlung des Programmausschusses nicht angenommen worden wäre.
Der Film hatte deutliche öffentliche Kritik ausgelöst, Anfang Dezember wurde er aus der ARD-Mediathek genommen. Die Kritiker, darunter auch zwei im Film interviewte Namibierinnen, verwiesen auf inhaltliche Fehler. Auch warfen sie den Machern Klischees und ideologische Voreingenommenheit vor, unter anderem beim komplexen Thema der "Landfrage".
In einem Offenen Brief kritisierten rund 160 Unterzeichner - darunter der frühere deutsche Botschafter in Namibia, Christian Schlaga - den Film. Dieser werde dem Anliegen, über die Geschichte und weitere Entwicklung Namibias auf der Basis von Fakten und ohne ideologische Scheuklappen zu berichten, in keiner Weise gerecht. Der Film erweise sich als "eine oberflächliche, in allen wichtigen Fragen völlig unreflektierte und bei vielen Sachdarstellungen faktisch falsche Präsentation".
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben die Aufsichtsgremien nur selten Programmbeschwerden statt. Beim SWR nahm 2023 der zuständige Programmausschuss Information des SWR-Rundfunkrats zwei Programmbeschwerden an. Zwei Beschwerdeführer hatten kritisiert, dass in einem Kommentar eines SWR-Journalisten im November 2022 Menschen mit Ratten verglichen worden seien.
vnn
Zuerst veröffentlicht 17.05.2024 17:55 Letzte Änderung: 17.05.2024 18:23
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Aufsicht, NDR, Rundfunkrat, vnn, NEU
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