04.07.2024 07:05
epd 1984 stellte Herbert Grönemeyer mit dem Song "Männer" die Frage, die 40 Jahre später weniger geklärt scheint denn je: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Daran konnten weder Männeraufbruchsbewegungen noch Vätergruppen noch Seminare bislang etwas ändern. Allerdings gibt es inzwischen glücklicherweise auch No-Gos, zumindest bei jungen Männern. Dass "Männer schon als Babys blau" sind, wie Grönemeyers sang, war allerdings schon damals Nonsens. Doch auch im Nonsens verbirgt sich manchmal Wahrheit, wie das Männerbild der ZDF-Sommerkomödie "Überväter" zeigt. Grönemeyers "Männer" wird hier von Frauen gesungen.
An Mathi (Fritz Karl) ist die Problematisierung toxischer Männlichkeit spurlos vorbeigegangen. Er ist ein "Macher", wie es früher hieß. Für seinen eigenen Sohn Luca (Anselm Bresgott) hat er hauptsächlich Verachtung übrig, wie für die ganzen "Kürbis-Latte trinkenden Lastrad-Zombies". Für ihn sind Männer und Väter Menschen, die bauen, versorgen, schwere Sachen tragen und die Familie beschützen. Und viel Geld verdienen. Früher hieß das für ihn, Luca ins tiefe Wasser zu schmeißen, damit der lernte zu überleben. Und den 16-Jährigen in den Puff zur Entjungferung zu bringen: "So einen Vater wünscht sich jeder." Eher nicht.
Luca hält Abstand, auch von den Erwartungen an Karriere. Die Mutter, die esoterikbewegt die Flucht ergriff, war abwesend. Also machte Luca die Heilpraktikerprüfung, die er im dritten Anlauf bestand, gefolgt von einer Ausbildung als Osteopath und einer weiteren als Cranio-Sacral-Therapeut. Mathi findet das zum Wiehern.
Die Ausgangslage in "Überväter" stimmt schon mal. Es geht von der Charakterkomödie zur Situationskomödie und wieder zurück, ein erprobtes Rezept. Charakterkomödie lebt von Überzeichnung, von Stereotypisierung. Solche Rollen wie die von Mathi und Luca klingen zwar simpel, es braucht aber ein gerüttelt Maß an darstellerischer Überzeugungskraft, um nicht im Knallchargenfach zu landen. Und ein gutes, präzises Drehbuch. Eines, das sein Personal nicht nur vom Aufreger- zum Schenkelklopfersatz schlittern lässt, sondern Raum gibt für Szenen, in denen sich etwas ahnen lässt von den abstrusesten menschlichen Abgründen.
Es braucht dazu eine Regie, die nicht nur den Oberflächenwitz gestalten kann, sondern auch den Slapstickblick ernst genug nimmt für Details und Genauigkeit. Und eine Kamera, die die Rollen wechseln kann, mal Komplize des Absurden ist, mal Humor erzeugt, indem sie auf Distanz geht.
Unter all diesen Aspekten ist "Überväter" ziemlich gelungen. Vor allem mit der Besetzung der Hauptrollen mit Fritz Karl, der sich hier buchstäblich schonungslos entblößt und am Ende mit allerhand Blessuren maximal entkrampft erscheint, und mit Anselm Bresgott, der den sensiblen und enttäuschten Sohn auf Rollenfindungstrip mit einer ansehnlichen Mischung aus Hilflosigkeit und Charme, neu erwachter Stärke und Selbstbewusstsein gibt.
Vater und Sohn haben beide hochschwangere Partnerinnen. Aus unterschiedlichen Gründen gehen sie zum Väter-Survivaltraining in den Wald und dabei fast verloren. In einer tonsetzenden Szene zu Beginn spielt Annette Frier eine leicht gelangweilte Polizistin, die Mathis Frau Jule (Christina do Rego) und Lucas Frau Steffi (Cynthia Micas) erklärt, dass ihre verschwundenen Männer bald auftauchen werden. Weil Männer so was tun. Weil man in diesem Wald nicht verloren gehen kann.
In der Tat wird sich herausstellen, dass die Orientierungslosen ihre Abenteuer - wie gefährliche Wildschwein- und Wolfsbegegnungen, Feuersbrunst und ein Scherbengericht im Adamskostüm - in der Nähe des Waldparkplatzes erlebt haben. Gefühlt allerdings in tiefstem Urwald.
"Überväter" erzählt vom Überlebenstraining und Vaterwerden dieser beiden Männer in drei Akten: Der Grillabend - Das Seminar - Die Wildnis. In Teil eins wird der Konflikt geschürt. Grillen, ein Männerreizthema, die bevorstehende Niederkunft der Frauen und ein geplatztes Geschäft mit Mathis Unternehmenskontakt Jochen (Moritz Vierboom) lassen die Welten aufeinanderprallen. Im Väter-Survival-Seminar verzweifelt der Leiter (Denis Moschitto) bald an den beiden Streithähnen, die übrigen fünf Teilnehmer (darunter Tristan Seith) verkörpern auf durchaus lustige Weise Klischees. Nachdem Mathi und Luca für Chaos gesorgt haben und rausgeflogen sind, müssen sie gemeinsam in die Zivilisation zurückfinden.
Buch, Regie und Darsteller trauen sich erstaunlich viel. Die Grenzen des sogenannten guten Geschmacks werden hier und da überschritten, was mit nonchalanter Leichtigkeit weggespielt wird. "Überväter" ist eine Komödie, die ihre Komik nicht nur behauptet, sondern entwickelt und bis zum Schluss die absurde Spannung aufrechterhält.
infobox: "Überväter", Regie: Janosch Chávez-Kreft, Buch: Florian Vey, Dominik Moser, Kamera: Timm Lange, Produktion: Network Movie (ZDF-Mediathek ab 4.7.24)
Zuerst veröffentlicht 04.07.2024 09:05
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Komödie, Chávez-Kreft, Vey, Moser, Hupertz
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