Zickenkrieg in Chanel - epd medien

18.07.2024 09:39

Wer Chanel trägt, streitet nicht stilvoller. Nach mehreren Folgen von "The Real Housewives of Munich" auf RTL+ ist das eine Haupterkenntnis für Senta Krasser.

"The Real Housewives of Munich": Joana (l.), Lili, Carina, Pegah, Natalie und Seher

epd Ist es eine Parodie oder tatsächlich das echte Leben, was RTL+ da gerade streamt? Die Frage ist auch nach vier Folgen "The Real Housewives of Munich" schwer zu beantworten. Wie sich die sechs Protagonistinnen in dieser Reality-Serie auftakeln und aufspreizen, wirkt derart überzeichnet und an der Grenze zur Komik, als hätte eine führende Hand im Hintergrund der Produktion die Order erlassen: Kein einziges Klischee über die oberen Zehntausend darf hier fehlen. Rich as rich can!

In der Welt dieser titelgebenden "echten Hausfrauen" ist "mittelständisch" jedenfalls ein Schimpfwort und der Cocktail-Spritzer auf dem weißen Designer-Fummel ein Drama vom Ausmaß eines Weltuntergangs. Ihr einziger Lebenszweck scheint darin zu bestehen, sich an Champagner und Chanel zu berauschen. Die Kreditkarte kennt kein Limit. Es muss immer teuer sein. Selbst die Früchte zum Dinner müssen "luxuriös" sein. Und darin unterscheiden sich die wohlhabenden Münchnerinnen nicht wesentlich von ihren internationalen Schwestern im Geiste in Beverly Hills, New York, Neapel, Warschau oder Dubai.

zitat: München und Luxus passt wie die Faust aufs Auge

"The Real Housewives of Munich" ist der erste deutsche Ableger eines US-Formats, das seit der Premiere im Jahr 2006 um die Welt tourt. Die Vorläufer nicht zu kennen, ist kein Malheur. Man versteht das Grundkonzept mit seiner jeweils länderspezifischen Ausgestaltung auch ohne Vergleich: Im Mittelpunkt stehen stets äußerst kamerabewusste Frauen, die in ihr Luxusleben spinksen lassen. Dass die deutsche Ortswahl auf München fiel, ist absolut einleuchtend. Wie eine der Frauen richtigerweise sagt: "München und Luxus passt wie die Faust aufs Auge." Glamour in Gelsenkirchen zu finden, wäre wohl eine unerfüllbare Aufgabe gewesen.

An dieser Stelle muss die Casting-Chefin Carline Rußwurm namentlich lobend erwähnt werden. Wo auch immer sie die sechs Bling-Bling-Darstellerinnen aufgetrieben hat: Chapeau! In Natalie, einer russischstämmigen Düsseldorferin, die der Liebe wegen frisch nach München zugezogen ist, hat Rußwurm eine laute wie tragische Zentralfigur gefunden, die nicht nur übereifrig Freundinnen und Ruhm sucht, sondern auch ihre auseinanderbrechende Beziehung zur Schau stellt, tränenreiches Schluchzen inklusive.

Auch die anderen fünf, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Natalie in die Münchner Society einzuführen, "spielen" ihre Rollen in diesem Reality-Dramolett sehr überzeugend. Da ist die frisch verheiratete Anwaltsgattin Pegah, die ihren Kinderwunsch durchgeplanter verfolgt als jede Gerichtsverhandlung und schier ausflippt, als ihr der Gatte einfach so einen familientauglichen Porsche schenkt.

Mit ihr freuen sich mehr oder weniger neidvoll: die Zigarre schmauchende "spicy Single Mom" Seher, die auch Unterwäsche bügelt, wenn sie "richtig in Love" ist und sich sonst mit Engelskartenlegen und Räucherzeremonien zur Ruhe bringt; die Herzogpark-Existenz Carina, die ihr eigenes Metabolismus-Business betreibt und ihre Baby-Tochter in nichts anderem kleidet als Dior; die sehr leicht zu beleidigende Modedesignerin Joana, die sich als über allen stehende Künstlerin und Intellektuelle begreift. In dieser exaltierten, oft peinlichen Runde ist die ehemalige Unternehmensberaterin Lili, die für ihre Ehe mit einem Dressurreiter den 60-Wochenstunden-Job aufgegeben hat, die Konservativste und Stillste. Das macht sie aber auch etwas langweilig.

Feine-Damen-Getue

Was sie alle eint, ist die Überzeugung, dass Frauen ihr eigenes Geld verdienen und sich nicht über den Mann und dessen Vermögen definieren sollten. So weit, so modern. Doch daran, wie sie Geldverdienen, ist RTL+ nicht interessiert, am Geldausgeben sehr wohl schon. Großzügig werden die Freizeitaktivitäten ausgeleuchtet. Man trifft sich zum Snow-Polo in St. Moritz und Golfen auf Malle, zum Verwöhnprogramm beim Beauty-Doc und Night-Shopping bei Tom Ford, zum Heli-Flug über die Alpen und zum Speed-Dating im In-Lokal.

Und egal wo sie auftauchen: Die Damen müssen sich all diese schönen Erlebnisse offenbar zusätzlich schöner trinken. Die Champagnerkorken knallen so beängstigend oft, dass man sich um die Leber der Trinkerinnen sorgt. Gewollter oder zumindest willkommener Nebeneffekt: Mit steigendem Promillewert sinken Contenance und Feine-Dame-Getue. Die kleinste Randbemerkung skaliert zum großen Streit, als befinde sich das Sextett im RTL-Dschungel oder im "Sommerhaus der Stars". Sogar das böse "Bitch"-Wort fällt. Und man lernt: Wer Chanel trägt, streitet nicht stilvoller.

Selbst Carina ist das Gekeife irgendwann "zu anstrengend". Wäre sie nur Zuschauerin wie wir, würde sie sich das Zicken-Theater nicht anschauen, "ich würd' vorspulen", sagt sie. Abschalten ist auch eine Möglichkeit.

infobox: "The Real Housewives of Munich", sechsteilige Reality-Serie, Produktion: Tresor TV (seit 6.7.24, jeweils samstags in Doppelfolgen bei RTL+)"



Zuerst veröffentlicht 18.07.2024 11:39

Senta Krasser

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KRTL+, Reality, Tresor, Krasser

zur Startseite von epd medien