Quadratur des Kreises - epd medien

22.01.2024 04:33

Bei "Caren Miosga" herrscht in den Tischgesprächen mehr Nähe als in anderen Talkshows. Dennoch gelingt es der Moderatorin nicht, CDU-Chef Friedrich Merz in der Premierensendung inhaltliche Positionen abzuringen.

Zur ersten Ausgabe der ARD-Talkshow "Caren Miosga"

Caren Miosga hatte am Sonntag Talk-Premiere im Ersten.

Berlin (epd). Das Logo der neuen Talkshow "Caren Miosga" besteht aus den stilisierten Initialen der Gastgeberin. Aus dem C wird ein Kreis, aus dem M ein Quadrat. Die Botschaft lautet also: Miosga und ihre Redaktion versuchen am Sonntagabend in der ARD die Quadratur des Kreises. Um dem Nachdruck zu verleihen, wurde das Logo bei der Premiere permanent unten in der Bildmitte eingeblendet, was bisweilen lustige Effekte hatte. Friedrich Merz schien die Initialen der Journalistin zeitweise wie ein Anstecker am Revers zu tragen.

Wie passend, denn der Parteivorsitzende der CDU scheint ein großer Fan der ehemaligen "Tagesthemen"-Moderatorin zu sein. Jedenfalls kam er aus dem Lächeln im Zwiegespräch zu Beginn der Sendung gar nicht mehr heraus. Und weil auch Caren Miosga so gar nichts Plasberg- oder Lanz-artiges hat, sondern mit spitzbübischem Charme versuchte, dem Politiker Inhaltsvolles zu entlocken, stellte sich vor dem Bildschirm das zwiespältige Gefühl eines ziemlich wohlwollenden Schlagabtauschs vor Studiopublikum ein. Vorbei sind immerhin die Zeiten, in denen die Sonntags-Gäste bei "Anne Will" munter durcheinander redeten.

Lachen bei der Kanzlerkandidaten-Frage

Bei "Caren Miosga" dagegen herrscht in den Tischgesprächen buchstäblich mehr Nähe. Und vielleicht kommt eine solch freundlich-sachliche Talkshow in vergleichsweise intimer Runde gerade recht, denn an Geschrei und Unversöhnlichkeit mangelt es ja zurzeit nicht. Caren Miosga dagegen lachte den Friedrich Merz einfach schallend aus, als der bei der Frage nach der Kanzlerkandidatur die bekannte "Das werden wir im Spätsommer entscheiden"-Formel abspulte, und dennoch klang Miosgas Lachen kein bisschen hämisch oder unangemessen. Wobei sie auch die eine oder andere Gelegenheit verstreichen ließ: Auf die Frage, welche Führungserfahrung Merz als Bundeskanzler mitbringen würde, verwies der ernsthaft auf seine Ämter als Fraktions- und Parteichef. Als wäre es nicht doch eine andere Hausnummer, als Regierungschef das politische Geschick eines ganzen Landes zu bestimmen.

Apropos: Der von vielen in der öffentlichen Debatte schmerzlich vermisste Olaf Scholz wäre als Premierengast auch eine andere Hausnummer gewesen, ein echter Coup sogar. Aber Merz? Und auch der Titel ("Merz richtet die CDU neu aus - wird Deutschlands Zukunft konservativ?") wirkte nicht ganz frisch, immerhin ist das neue Grundsatzprogramm der CDU schon vor einigen Wochen vorgestellt worden. Was drin steht, erfuhr man in der Show bestenfalls zwischen den Zeilen. Auch keiner der unvermeidlichen Einspielfilme, die im Talkshow-Genre seit der Premiere von "Hart, aber fair" vor mehr als 20 Jahren Usus geworden sind, widmete sich den Programminhalten. Dafür holte Miosga "dieses schöne Designerstück" hervor: eine Kaiser-idell-Leuchte. Erstens weil sie wie Merz aus dem Sauerland stammt, zweitens weil sie zu der semi-originellen Frage Anlass bot: "Geht Ihnen schon ein Licht auf?"

Zitat bleibt strittig

Kontroverser und schärfer wurde es, lief aber auch thematisch bisweilen aus dem Ruder, als Miosga in der zweiten Hälfte der Show noch die "Zeit"-Journalistin Anne Hähnig und den Soziologen Armin Nassehi an den Tisch bat. Als der ins Dozieren geriet und von Themen sprach, "die leicht affizierbar sind", hätte man sich einen Moderator wie Frank Plasberg gewünscht, der auf verständliche Sprache bestand. Und als Merz eine von Anne Hähnig sinngemäß zitierte Aussage zur Zusammenarbeit der CDU mit der AfD auf kommunaler Ebene einfach leugnete, wäre eine Einblendung mit dem korrekten Zitat hilfreich gewesen.

Anstelle dessen hatte die Redaktion die verschiedenen Rede-Ausschnitte von Merz parat, in denen er über "kleine Paschas", die Zahnbehandlung von Asylbewerbern und Berlin-Kreuzberg wetterte. Dafür gab es Applaus von einem (kleineren) Teil des Berliner Studiopublikums, was den anderen (größeren) Teil jedoch zu noch lauterem Beifall motivierte, als Merz von Nassehi und Hähnig kritisiert wurde. Die im Titel aufgeworfene Frage, wie eine konservative Zukunft aussehen könnten, blieb übrigens komplett unbeantwortet, weil Miosga Merz keine inhaltlichen Positionen abringen konnte. Damit wäre ihr die Quadratur des Kreises doch noch gelungen.

Meldung aus dem epd-Basisdienst



Zuerst veröffentlicht 22.01.2024 05:33 Letzte Änderung: 22.01.2024 15:57

Thomas Gehringer