Teilzeitvertrag mit Hades - epd medien

14.05.2024 08:15

Die Geschichte von Hades, der Persephone in die Unterwelt entführt, hat die österreichische Autorin Magda Woitzuck zu dem Hörspiel "Demeter und das Licht" inspiriert. Darin wirken die griechischen Götter sehr leutselig und geradezu menschlich.

epd Willkommen im Olymp! Dort tummelt sich am Morgen rund um Zeus eine überwiegend gut gelaunte, lärmende Götterschar. Poseidon (Tim Werths) trällert unter der Dusche "Deine Heimat ist das Meer" und parodiert locker Seefahrtschnulzen von Freddy Quinn, ehe er zum Herrschen an Küsten und Wellen aufbricht. Aus dem Radio tönt Kunterbuntes, Orpheus oder Rap. Die für Ackerbau zuständige Demeter (Brigitte Karner) kocht Kaffee für alle und schafft es schließlich sogar, ihre Teenagertochter Persephone (Eva Mayer) aus dem Bett zu locken, die cool Komplimente des Totengottes Hades (Till Firit) abweist. Die rührige Göttin des Wachstums und ihr Nachwuchs müssen gleich los, die Menschen unten warten bei der Ernte auf ihre Hilfe.

Magda Woitzucks Hörspiel für Kinder und Erwachsene gewinnt dem exotischen Glanz griechischer Mythen drolliges Kompetenz- und Machtgerangel ab. Witzige Pointen zeigen die Götterwelt oft leutselig und anschlussfähig an heutigen menschlichen Alltag. Nebenbei lassen sich beispielsweise manche Olympier vom Trend zu gendern anstecken und sprechen stolpernd von "Götter:innen".

Geradezu beschaulich

Mit Vorliebe telefonieren alle mit dem Handy, besonders Chef Zeus (Wolfram Berger) nutzt diese oft wacklige Verbindung zwischen Ober- und Unterwelt, um Machtworten oder Ausreden Nachdruck zu geben. Nur manchmal, so wenn Demeter bei heißer Ernte Helios telefonisch bittet, seine Sonnenbestrahlung herunterzudrehen, funktioniert der Kontakt prompt.

Effektbewusst schöpft die österreichische Autorin Magda Woitzuck bei der Stoff- und Personalwahl aus dem Vollen. So fiel sie 2018 bei den ARD-Hörspieltagen mit dem dort ausgezeichneten Stück "Die Schuhe der Braut" (ORF) auf, einem extrem grellen und grausigen Wurf zu Terror und Flüchtlingselend. "Demeter und das Licht" wirkt dagegen auf weite Strecken geradezu beschaulich, das Stück ist durchweg mit Anachronismen und leichten Dialektanklängen belebt. Freundlich wetteifert hier die prägnante hochdeutsche Erzählerin Lilith Häßle mit der österreichischen, berlinerischen und sächsischen Lautung in Götterkreisen. Diesmal profitiert die Autorin gleich von zwei Traditionen, von antiken Mythen und von der Wiener Volkskomödie. So weit, so verspielt und suggestiv.

Eigeninitiative und Emanzipation

Mitten in dieser idyllischen Atmosphäre ereignet sich plötzlich das zentrale provozierende Drama, wenn Persephone ihr (überliefertes) schauriges Geschick ereilt: Beim Veilchenpflücken verschluckt sie der Erdboden. Es ist Hades, der die aufschreiende "Kleene" gegen ihr Widerstreben in sein Totenreich entführt. Dieser jähe Übergriff schockiert in Peter Kaizars Inszenierung beim Hören elementar. Er trennt Demeter und Persephone und wirft zugleich Mutter und Tochter zunächst aus der Bahn. In Parallelmontagen verfolgt das Hörspiel, wie Demeter rund um die Welt irrt und nach ihrer Tochter sucht, während Persephone, in der Unterwelt eingesperrt, sich aus aussichtsloser Finsternis ins Freie und Weite sehnt.

Ein Musterbeispiel für männliche Gewalt gegen Frauen? Woitzuck macht es sich nicht so einfach. Persephone wird gewaltsam entführt, nicht aber vergewaltigt. Hades, der selbst unter seinem hoffnungslosen Job leidet, setzt vielmehr alles daran, als Totenwächter Gesellschaft zu haben. So verwöhnt er backend und kochend Persephone, die gerne nascht, doch ihren eigenen Kopf behält. Der Gefahr, dass Essen im Totenreich sie dort magisch für immer bannt, setzt sie im Hörspiel ein eigenes striktes Konzept entgegen. Es ist ein Teilzeitvertrag, den sie, Zeus und Hades unterzeichnen: Fortan will sie drei Monate im Jahr Hades im Totenreich beistehen, neun Monate aber mit Demeter auf der Erde Wachstum und Ernten sichern.

Und tatsächlich, wenn bislang die Jahreszeiten funktionieren, spricht das für Persephones Eigeninitiative und Emanzipation. Dass die Klimakatastrophe das ändern könnte, ist eine andere Geschichte.

infobox: "Demeter und das Licht", Hörspiel, Regie und Musik: Peter Kaizar, Buch: Magda Woitzuck, Produktion: SWR/ORF (SWR Kultur/ORF, 1.5.24, 14.00-14.55 Uhr und in der ARD-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 14.05.2024 10:15

Eva-Maria Lenz

Schlagworte: Medien, Radio, Kritik, Kritik.(Radio), KSWR, Hörspiel, Kaizar, Woitzuck, Lenz

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