Künstliche Kunst - epd medien

10.06.2024 07:35

Die ZDF-Dokumentation "Das KI Manifest" zeigt die Auseinandersetzung von vier Filmschaffenden mit der Künstlichen Intelligenz - und sich selbst. Das Format könnte der Auftakt einer fortlaufenden Reihe sein.

In "Das KI Manifest" geht Collien Ulmen-Fernandes der Frage nach, wie Künstliche Intelligenz das Filmschaffen verändert

epd Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) können vieles und machen viele aktuell nervös. Zwar sind einzelne Branchen unterschiedlich stark betroffen, doch dass uns alle das Thema KI in den kommenden Jahren beschäftigen wird, ist weitgehend Konsens. Das gilt auch für die Medienbranche, und entsprechend viele Stellungnahmen, Forderungen, Bedenken und Manifeste wurden in den vergangenen Monaten veröffentlicht.

Wo also von manchen bereits der Tod ganzer Berufszweige beschworen wird, sind Formate, die zum einen die nötige Ruhe in den Diskurs bringen und zum anderen einen Blick in die Praxis werfen, gut und wichtig. Für "Das kleine Fernsehspiel" im ZDF blickte die Regisseurin Paulina Bietz in der Dokumentation "Das KI Manifest" auf die deutsche Filmbranche.

Grundlagenarbeit für den deutschen Film

Der etwas vollmundig formulierten Inhaltsbeschreibung, die ein "nie da gewesenes Experiment" verspricht, liegt ein interessanter Ansatz zugrunde: Die vier Filmschaffenden Christian Alvart ("Oderbruch"), Gizem Emre ("Fack Ju Göhte"), Guido Reinhardt ("Unter Uns") und Mira Thiel ("Gut zu Vögeln") vertreten, vom Produzenten über die Regisseurin bis hin zur Schauspielerin, die Gewerke des Filmemachens und versuchen, an einem Tag mit Hilfe von Experten das titelgebende KI-Manifest zu verfassen. Das soll eine Diskussionsgrundlage für die deutsche Filmbranche und ihren Umgang mit Künstlicher Intelligenz bilden.

In ihrer Inszenierung orientiert sich die Doku am fertigen Manifest, das als nüchtern gestaltetes PDF-Dokument heruntergeladen werden kann: Was zählt, ist der Inhalt. Die Gesprächsrunde der Filmschaffenden und der vier nacheinander anwesenden Expertinnen und Experten ist mit knackigen 50 Minuten durchweg unterhaltsam und wird von einordnenden Einspielern mit Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes immer wieder aufgelockert. Ein dramaturgisches Überraschungsmoment gibt es aber selten - und das, obwohl ein KI-Sprachbot mit "außerordentlich selbstbewusster Persönlichkeit" in Form eines Mikrofons als ständiger Begleiter mitten in der Runde steht. Über einige wenige Spielereien geht die Interaktion zwischen Mensch und Maschine aber nicht hinaus.

Ins Mark der Debatte

Doch auch so wird einem durchaus mulmig, wenn allen voran der Filmemacher Christian Alvart - tätig als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Kameramann - zu einem so ehrlichen wie gnadenlosen Statement ausholt. Sätze wie "Ich habe heute noch mehr Angst bekommen, dass die Leute plötzlich aufwachen und sagen: 'War was?' und schon arbeitslos sind", "Wie viel Zeit habe ich noch, mein Haus abzubezahlen?" oder "Ich bin kein Verbotsfanatiker, der den Fortschritt aufhalten will - ich möchte nur eine ehrliche Möglichkeit haben, noch mit dem Publikum zu kommunizieren" treffen ins Mark der Debatte. Dank der Einordnungen durch die Experten gelingt es der Doku, sowohl den aktuellen Stand in Sachen KI greifbar zu machen als auch zu betonen, was auf dem Spiel steht: die Kunst.

Und Kunst, das machen auch Schauspielerin Gizem Emre und Regisseurin Mira Thiel sehr deutlich, ist nichts Abstraktes. Sie ist in der Großproduktion ebenso zu finden wie im schmal budgetierten Debütfilm - und es wird auffallen, wenn sie weg ist. Ohne es direkt auszusprechen, macht diese Auseinandersetzung mit KI deutlich, wieso die Rufe nach einer Reform der Filmförderung und Filmbildung in Schulen so laut und beständig sind.

Da sich das Thema Künstliche Intelligenz kaum bald schon wieder erledigt haben wird, bietet sich "Das KI Manifest" in Form und Aufmachung nicht nur als für sich stehende Dokumentation an, sondern vor allem als gelungener Auftakt einer fortlaufenden Reihe. Der Austausch über Kunst zwischen Künstlerinnen und Zuschauern wird an Bedeutung nur gewinnen können.

infobox: "Das KI Manifest", Dokumentation mit Collien Ulmen-Fernandes, Regie und Buch: Paulina Bietz, Kamera: Dominik Böhm, Oliver Hans Wolf, Lucie Westbrock, Max Grilec, Produktion: Drive Beta (ZDF, 27.5.24, 23.55-o.45 Uhr, ZDF-Mediathek bis 27.5.26)



Zuerst veröffentlicht 10.06.2024 09:35 Letzte Änderung: 10.06.2024 10:03

Christopher Hechler

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Künstliche Intelligenz, TV-Produktion, Ulmen-Fernandes, Bietz, Hechler, NEU

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