"Lustig, haltungsstark, klug" - epd medien

11.07.2024 08:30

Sie war eine schwäbische Pfarrersfrau in "Oh Gott, Herr Pfarrer" und hatte die erste Satiresendung einer Frau im deutschen Fernsehen: Am 19. Juli wird Maren Kroymann 75. Bei ihr verbindet sich entlarvende Satire mit Selbstironie.

Maren Kroymann wird 75

Maren Kroymann

epd Sie ist eine Frau mit Humor und Ironie, die alles Wichtige ernst nimmt und keine faulen Harmoniekompromisse macht: Maren Kroymann schickt ihr Publikum um die Ecken des Denkens. Tübingen, wo sie mit ihren Altphilologen-Eltern und vier Brüdern aufwuchs und studierte, muss abgefärbt haben - freilich nicht der graue Staub des Altehrwürdigen, sondern das Motto der Universität: "Attempto!" (Ich wag's!). Am 19. Juli wird sie 75 Jahre alt.

Mit "Nachtschwester Kroymann" hatte sie 1993 die erste Satiresendung einer Frau im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen. Ihre Texte schrieb sie schon damals selbst. Seit 2017 ist sie in der ARD mit "Kroymann" zu sehen.

Gegenseitiges Nichtinteresse

Im Studium - Amerikanistik, Anglistik und Romanistik - machte die gebürtige Walsroderin erste Bühnenerfahrungen im Chor und mit selbstgemachtem feministischen Programm. Das Fernsehen ließ damals noch auf sich warten. Beziehungsweise hatte man dort noch kaum eine Vorstellung davon, dass Frauen richtig lustig sein können. Das Nichtinteresse war gegenseitig. Mit dem Solo-Bühnenprogramm 1982 "Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh", in dem sie ironisch mit dem Schlager umging, begann Kroymanns Karriere ernsthafter, singen konnte sie, auch auf schwäbisch.

Singen, so sagt Kroymann später, traute man Frauen eher zu als Texte zu schreiben, Schlager zumal, und über das Subversive des Kontexts konnte man auch weghören. Der Süddeutsche Rundfunk besetzte sie schließlich als schwäbische Pfarrersfrau Claudia Wiegandt. Mit Robert Atzorn wurde sie beliebt in "Oh Gott, Herr Pfarrer" von Felix Huby, da war sie schon Ende 30. Eine Staffel lang, 13 kultig gewordene Folgen, spielte Kroymann diese moderne berufstätige Frau, die mit den Kindern erst einmal als Lehrerin in Tübingen bleibt, um dann frischen Wind in die Gemeinde des Mannes zu bringen.

Fünf Jahre später traute sie sich in "Nachtschwester Kroymann" schließlich Sketche über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder Vergewaltigung in der Ehe, die heute nichts von ihrer Schärfe eingebüßt haben. Jürgen Breest, damals Unterhaltungschef bei Radio Bremen, gab ihr Rückendeckung und förderte ihren Eigensinn.

ARD "nicht amused"

Als die Kabarettistin, Satirikerin, Schauspielerin und Sprachjongleurin sich 1993 im Magazin "Stern" als lesbisch outete und 1994 mit anderen homosexuellen Frauen bei "Boulevard Bio" auftrat, war die ARD allerdings "nicht amused". So hat es Kroymann gerade dem "Stern" erzählt. Als 1997 eine Programmreform anstand, habe man sie nicht nach Neuem gefragt.

Kroymann schauspielerte, im Fernsehen und im Kino, sang, präsentierte in Kleinkunst-Programmen sexistische Schlager der 50er und 60er Jahre und blieb präsent und hartnäckig aus Überzeugung. Engagierte sich. Spielte Frauen mit Macht als großartige Kotzbrocken, so in der Parlamentssatire "Eichwald, MdB", wo sie als Fraktionsvorsitzende männliche Politiker herumscheucht.

"Kaum waren 20 Jahre vergangen", da gab es "schon wieder" eine Sendung in der ARD, so hat es die Kabarettistin in ihrer berühmt gewordenen Dankesrede bei der Verleihung des Deutschen Comedy-Preises 2021 berichtet. Die Satiresendung "Kroymann" nämlich. Über das "L-Wort (L wie lustig)", so sagt es Hazel Brugger in ihrer Comedy-Ehrenpreis-Laudatio, konnte man nun hinwegsehen. "Lustig, haltungsstark, klug, sympathisch, relevant, intelligent", so Brugger über die Ausgezeichnete, ein Vorbild, "und lesbisch ist sie auch".

Intimes Verhältnis zur Sprache

Diskriminierungen, #MeToo, der männliche Blick auf Frauen als Sexualobjekte, die Sichtbarkeit queerer Personen im Fernsehen (#ActOut), Frauen und Geld zählen zu den Themen, die Kroymann wichtig sind. Sie hat etliche Preise erhalten, Deutscher Fernsehpreis, gleich drei Grimme-Preise, darunter der Sonderpreis des Deutschen Volkshochschulverbandes für ihr Lebenswerk.

Bei Kroymann wird die abgründigste Pointe mit charmantem Lächeln verbunden, da wird der weiblich-schiefgelegte Kopf, eine Demutsgeste, bewusst vermieden, verbindet sich entlarvende Satire mit Selbstironie, der nichts heilig ist, außer eben der Haltung. Eine Haltung, in der die Pause, in der das Nachdenken, das nach der Pointe beginnt, genauso wichtig ist wie die Pointe selbst. Die, gerade wenn sie nicht zündet, alles verraten kann über den Zustand unserer Gesellschaft und das Verhältnis der Geschlechter.

Die Komik Maren Kroymanns ist politisch, von der feinsinnigen, nicht der grobschlächtigen Art. Es ist ein Humor, der ein intimes Verhältnis zur Sprache voraussetzt. Hier schließt sich der Kreis nach Tübingen: Für ihre höchst ernsthafte und kritische Dankesbekundung beim Comedy-Preis, in der es auch um Sexismus in der Fernsehbranche ging, wurde Kroymann vom Institut für Rhetorik mit dem Preis für die "Rede des Jahres" bedacht. Die Juroren erkannten die besondere Beziehung zur Freiheit und zum Mut des Denkens, die sich in Kroymanns lebendiger Sprache zeigt: Maren Kroymann, eine höchst lebendige Rhetorik-Preisträgerin, ist ein Glücksfall.

infobox: Wer Maren Kroymann hören will, kann zahlreiche Stunden mit ihren aktuellen Podcasts und dem Kriminalhörspiel "The Beat Goes On oder: Die Hölderlin-Akte - Cher Ebingers erster Fall" (Deutschlandfunk Kultur, auch in der ARD-Audiothek abrufbar) verbringen. Als Cher Ebinger spricht Kroymann eine Tübinger Privatdetektivin mit schwäbelndem Ex-Freund, die zwischen Antiquariaten und Dichter-Memorabilia-Suche Leuten hinterherläuft, die von der Liebe zwischen "Diotima", der Frankfurter Bankiersgattin Susette Gontard, und dem unglücklichen Dichter Friedrich Hölderlin wie von einer Affäre in der "Bunten" reden - und einander an die Gurgel gehen.
In Jagoda Marinics Podcast "Freiheit Deluxe", Folge "Maren Kroymann - Gesichtsbekannt!" vom 22. Dezember 2023, spricht Kroymann ausführlich über ihre "Hellwimprigkeit", Augenumrandungen, das produktive Spiel mit Worten - und freut sich über die Auszeichnung des Tübinger Instituts für Rhetorik 2021. Frauen und Intelligenz, Frauen und Selbstdenken, Frauen und Älterwerden, Frauen und Finanzen und vieles mehr werden thematisiert. Und im Podcast "War's das? mit Maren Kroymann" bespricht sie mit Gästen das Älterwerden, erörtert etwa mit der Medizin-Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, "ob wir im Alter endlich schlau sein dürfen".

bild: 3411 Copyright: Foto: privat Darstellung: Autorenbox Text: Heike Hupertz ist freie Journalistin und Autorin von epd medien. Titel: Heike Hupertz



Zuerst veröffentlicht 11.07.2024 10:30 Letzte Änderung: 12.07.2024 08:44

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kabarett, Personalien, Kroymann, Hupertz, NEU

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