Alarmierende Botschaft - epd medien

29.04.2024 09:17

In der ARD-Dokumentation "Wie extrem wird das Wetter?" fragt der Meteorologe Sven Plöger, wie sich die Erderwärmung auf das Klima und das Wetter von morgen auswirkt.

Sven Plöger

epd Fernsehmeteorologen sind schon lange nicht mehr die Typen, die nur den Text zur Wetterkarte von morgen sprechen. In den 1980er und 90er Jahren brachten die neuen Privatsender - um im Bild zu bleiben - frischen Wind ins Metier, schickten oft fachfremde Moderatorinnen und Moderatoren ins Rennen, deren hartnäckige Fröhlichkeit auch durch anhaltend düstere Aussichten nicht getrübt werden konnte. Das Wetter wurde nach amerikanischem Vorbild zur Show. Die ARD konterte mit einer Modernisierung durch einen lässig wirkenden Schweizer namens Jörg Kachelmann, der aus der Wettervorhersage ein erfolgreiches Geschäftsmodell machte und später aus anderen Gründen ins Abseits geriet.

Heute lassen sich ständig aktualisierte, stunden- und ortsgenaue Vorhersagen im Netz abrufen. Und in der auch von vielen Medien zu spät erkannten Klimakrise ist die Expertise der Meteorologen viel umfassender gefragt als früher. Sven Plöger, der vor 25 Jahren das erste Mal in der ARD das Wetter präsentierte, ist derzeit wohl der populärste Vertreter seiner Zunft. Der gebürtige Bonner schreibt Bücher, hält Vorträge, dreht Dokumentationen für die ARD und wird gerne als Gast in Talkshows eingeladen, weil er verständlich und mit Leidenschaft über sein Fachgebiet und die Erderwärmung reden kann, ohne dabei oberlehrerhaft und unversöhnlich zu wirken.

Wir müssen uns auf einen Marathon einstellen.

Am Ende seiner jüngsten Reise im Auftrag der ARD nach Panama, bei der sich Plöger und Autorin Luise Wagner mit dem Phänomen El Niño beschäftigen, pflanzt der Meteorologe in einem privaten, aus Deutschland finanzierten Aufforstungsprojekt einen Mahagoni-Baum und betont, er wolle seinen Optimismus nicht aufgeben: "Aufgeben ist immer der falsche Weg." Allerdings sei der Klimawandel nicht in einer Generation zu stoppen. "Wir müssen uns auf einen Marathon einstellen." Klingt anstrengend, aber machbar.

Konkrete Empfehlungen oder klimapolitische Forderungen meidet Plöger. Er formuliert auch keine Anklagen, allenfalls Selbstanklagen: "Wir sehen einfach nicht, was auf uns zukommt. Und das macht es uns so schwer zu handeln", sagt er zu Beginn. Oder, nach den Bildern des nach einem Hurrikan im Oktober 2023 verwüsteten Acapulco und des im Juli 2021 überfluteten Ahrtals: "Wir kriegen es nicht zusammen. Wir kriegen den Bezug zu uns selber nicht hin." Es klingt, als verzweifle er auch ein bisschen an sich selbst.

Der Meteorologe ist glücklich

Gleichzeitig hat der Wetter-Nerd Sven Plöger, obwohl er nicht gerade die Aura eines Abenteurers verströmt, Spaß an Action. In Panama begleitet er in einer kleinen Gondel den Umweltbiologen Martijn Slot, der sich von einem Kran in eine Höhe von 60 Metern hieven lässt, weit über das Blätterdach des Regenwalds. Und als die Forschungsyacht "Eugen Seibold" im Pazifik von einem Sturm überrascht wird, stellt sich Plöger auf Deck in den Wind und erklärt in die Kamera: Ein so plötzliches Ereignis habe die Crew nie zuvor erlebt. "Der Meteorologe - ich bin glücklich." Es sieht nicht so aus, als habe er sich der eindrucksvollen Bilder wegen zu diesem Auftritt zwingen müssen.

Das Reiseziel ist gut gewählt. Panama steht mit seiner wichtigen Lage im Welthandel erstaunlich selten im Blickpunkt und liefert grandiose Bilder. Der filmische Einstieg mit einem Stau der Frachtschiffe vor dem Panamakanal und der Erklärung, wie enorm der Wasserverbrauch bei jeder einzelnen Schleusenfahrt ist, ist interessant und informativ. Die Bilder zum ausbleibenden Regen in der Regenzeit irritieren dagegen etwas, weil Plöger über einen großen See schippert und der Rückgang des Wasserspiegels kaum zu erkennen ist. Dann wieder wird man als Zuschauer ähnlich durchgeschüttelt wie Plöger auf der Yacht. Katastrophen rauschen als schnell hintereinander geschnittene Bildfolge am Auge vorbei und der mitteilsame Plöger redet nahezu ununterbrochen.

Amsterdam im Meer

Die Schauplätze wechseln zwischen Wasser und Land, ohne dass ein roter Faden erkennbar wäre. Das liegt wohl auch am übergeordneten Thema El Niño. Plöger räumt ein, dass die Wissenschaft noch nicht viel wisse über das komplexe Phänomen und zeigt kurze Zitate vom Hamburger Extremwetterkongress 2023 in Hamburg, an dem er selbst teilnahm. Der Meteorologe Mojib Latif sagte in bemerkenswerter Klarheit: "Bei El Niño tappen wir echt im Dunkeln." Manche Wissenschaftler halten es offenbar für möglich, dass aus dem bisher alle drei bis sieben Jahre auftretenden Phänomen ein Dauerzustand werden könnte. Wie wahrscheinlich das ist und welche Auswirkungen es hätte, scheint unklar zu sein. Und eine Antwort auf die im Titel gestellte Frage gibt es sowieso nicht.

Plöger schaut schließlich mit Forschungen zur Erdgeschichte zugleich in unsere möglicherweise katastrophale Zukunft. Vor drei Millionen Jahren herrschte eine um drei Grad höhere globale Mitteltemperatur. Eine schlicht gestaltete Grafik zeigt, wie die Nordseeküste bei einem wie damals um 20 Meter höheren Meeresspiegel aussehen würde. Bremen und Hamburg wären überflutet, Amsterdam läge mitten im Meer. Zwar machen Erkenntnisse über die Hitzebeständigkeit der Bäume im Regenwald und die Pläne zur Wiederaufforstung Hoffnung. Doch die Botschaft, die Plöger mit flotter Forschungsaction und optimistischer Aufbruchsstimmung im Finale weich verpackt, bleibt alarmierend.

infobox: "Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger?", Dokumentation mit Sven Plöger, Buch und Regie: Luise Wagner, Kamera und Schnitt: Jonas Sichert, Produktion: Gruppe 5 (ARD/SWR/HR, 15.4.24, 20.15-21.00 Uhr und seit 8.4.24 in der ARD-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 29.04.2024 11:17 Letzte Änderung: 20.06.2024 13:27

Thomas Gehringer

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, KSWR, Plöger, Wagner, Wetter, Gehringer, NEU

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