Bulgarischer Journalist wehrt sich beim EGMR erfolgreich gegen Urteil - epd medien

10.06.2024 13:26

Straßburg (epd). Der bulgarische Journalist Rossen Bossew hat sich erfolgreich gegen die Verleumdungsklage eines hohen bulgarischen Finanzbeamten gewehrt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg erklärte am 4. Juni das letztinstanzliche Urteil des Stadtgerichts Sofia aus dem Jahr 2019 für unrechtmäßig, mit dem Bossew wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 500 Euro verurteilt worden war. (AZ: 62199/19)

Der EGMR erkannte auf "objektive und begründete Zweifel an der Unparteilichkeit" der Vorsitzenden Richterin Petja Krantschewa und sah Bossews Meinungsfreiheit durch die Verurteilung als unzulässig eingeschränkt an. Mit seinem Richterspruch verurteilte der EGMR den bulgarischen Staat zur Rückerstattung der von Bossew geleisteten Strafzahlung, einer Entschädigungszahlung in Höhe von 3.000 Euro für dessen immaterielle Schäden während der Gerichtsprozesse sowie zur Übernahme der Gerichtskosten.

Kritik am Chef der Finanzaufsicht

Im Januar 2015 hatte der damals noch als Gerichtsreporter für das bulgarische Wirtschaftsmagazin "Kapital" tätige Bossew in einer Fernsehsendung den damaligen Direktor der staatlichen Kommission für Finanzaufsicht (KFN), Stojan Mawrodiew, attackiert. Er warf ihm vor, die Behörde als Instrument der Repression gegen die im Economedia-Verlag erscheinenden Medien "Kapital" und "Dnevnik" zu benutzen. Mit seiner Aussage bezog sich Bossew auf mehrere von der KFN gegen Economedia verhängte Geldstrafen in Höhe von insgesamt umgerechnet 76.000 Euro.

Die Sanktionsbescheide der KFN waren in zeitlichem Zusammenhang zu kritischen Artikeln über Mawrodiews Amtsführung erlassen worden und wurden später gerichtlich revidiert. Zudem erklärte Bossew, Mawrodiew habe durch seine Amtsführung die Geldwäsche des verurteilten Kriminellen Ewelin Banew erleichtert, der als Bulgariens "Kokain-König" gilt. Mawrodiew reagierte auf Bossews Behauptungen mit einer Verleumdungsklage.

Bei der letztinstanzlichen Verhandlung vor dem Sofioter Stadtgericht hatte "Kapital"-Reporter Bossew die Abberufung der Richterin Krantschewa wegen Befangenheit beantragt, weil er in den vorhergehenden Jahren in mehreren Artikeln ihre professionelle und persönliche Eignung für das Richteramt infrage gestellt hatte. In dem Umstand, dass die betroffene Richterin selbst den Antrag auf ihre Abberufung abschlägig beschied, sah der EGMR Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts begründet.

fst



Zuerst veröffentlicht 10.06.2024 15:26

Schlagworte: Medien, Europa, Justiz, Bulgarien, EGMR, Slapp, Rossen Bossew, fst

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