Ambivalente Gefühle - epd medien

11.06.2024 10:14

Mit "Trotz und Treue - Das Phänomen Sahra Wagenknecht" ist Henrike Sandner für die ARD ein Porträt über eine schillernde Politikerin gelungen, die mit Wertschätzung für Wagenknecht beginnt und mit Manöverkritik endet.

Sahra Wagenknecht

epd Muss eine Dokumentation über eine polarisierende Politikerin fair sein? Die Frage formuliert einen allgemeinen Anspruch an den Journalismus und man kann der Filmemacherin Henrike Sandner zugutehalten, dass sie diesen stets verfolgt. Doch wenn am Ende vor allem die Kritiker von Sahra Wagenknecht in der Dokumentation "Trotz und Treue - Das Phänomen Sahra Wagenknecht" zu Wort kommen, dann ist es zwangsläufig so, dass die abschließende Meinung über die ehemalige Linken-Politikerin negativ ausfallen muss.

Damit folgt die Produktion der vorherrschenden Meinung über Wagenknecht, die sich vor allem in den vergangenen Jahren gebildet hat. Eine Einschätzung, die durchaus berechtigt ist. Die Politikerin hat sich selbst radikalisiert, das arbeitet der Film gut heraus. Steht sie für Kompromisse oder Hoffnung? Nein. Opfert sie politische Inhalte für populistische Anbiederung? Ja. Eigentlich geht es Wagenknecht stets nur um sich selbst. Dieser Gedanke zieht sich durch das Porträt und lässt einen mit einer ambivalenten Haltung zu dieser Politikerin zurück.

Da sitzt Teflon

Für die Dokumentation hat Sandner Weggefährten, vor allem aus der Linken, Kritiker, Wagenknechts Biograf sowie Historiker befragt, ihre Zitate führen durch das Porträt führen und geben ihm einen Rahmen. Flankiert werden sie durch Einspieler und Archivmaterial. Die Stichwortgeber bekommen dadurch eine große Macht, zusätzliche Informationen fehlen. Das setzt einiges an Vorwissen voraus.

Wagenknecht selbst gibt vor allem Auskunft zu ihrer Kindheit und den frühen Jahren ihrer politischen Karriere. Wirklich nah kommt Sandner ihr dabei nicht. Die Politikerin wirkt auch in dem Film so, wie man sie aus den Medien kennt: Besticht sie zuweilen durch ihre Eloquenz und Intelligenz, wirkt sie dabei immer unnahbar. Da sitzt sie in ihren farbenfrohen Kostümen, die immer ein bisschen zu bieder wirken, die Beine übereinandergeschlagen, und beantwortet nach Eisprinzessin-Style jede noch so unverschämte Frage. "Man hat das Gefühl, da sitzt Teflon", bringt es der Ministerpräsident von Thüringen und Linken-Politiker Bodo Ramelow auf den Punkt.

Diese Eigenschaft macht Wagenknecht zu dem, was ihr zugleich auch immer vorgeworfen wird: Sie bleibt sich selbst treu, verfolgt ihre One-Woman-Show - zuweilen ohne Rücksicht auf politische Inhalte. Hauptsache, sie kommt weiter.

Männer reden über eine Frau

Es sind vor allem Männer, die über die Frau Sahra Wagenknecht sprechen, sie wertschätzen, loben, skizzieren, beurteilen, kritisieren, vernichten. Das stößt auf, denn ist es nicht Wagenknechts Stärke, dass sie sich gerade nicht hat bremsen lassen durch Männer in ihrem Leben? Nicht durch den abwesenden Vater, der eine große Wunde hinterlassen hat, nicht durch Parteifreunde, die immer zugleich Konkurrenten waren und jetzt natürlich Angst haben nach der Neugründung der Sahra-Wagenknecht-Partei. Und auch nicht durch übergriffige Journalisten, die es nicht ertragen können, dass eine Politikerin und Frau in der Öffentlichkeit schön und schlau zugleich ist.

Je weiter die Dokumentation voranschreitet, desto weniger haben die wenigen Zitatgeberinnen und Weggefährtinnen Redezeit, das sind vor allem Sevim Dagdelen, vormals Linken-Politikerin, die nun auch dem kürzlich gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angehört und die Linken-Politikerin Ines Schwerdtner.

Beim Schauen der Dokumentation ist man hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung für eine ehrgeizige Frau, die aneckt, und der Ablehnung der Inhalte, die sie vertritt, die allzu leichtfertig das infrage stellen, wofür unsere Gesellschaft steht. Man ist geneigt, Partei zu nehmen für eine Politikerin, die immerzu in der Kritik steht - allein dafür, dass sie ihre Ziele verfolgt. Dass es eine Dokumentation schafft, solche widerstreitenden Gefühle hervorzuholen, ist viel wert. Denn die Ambivalenz spiegelt die Schwierigkeit wider, Wagenknecht zu fassen. Ob auch die Wähler sie so kritisch sehen, wird sich bei den kommenden Wahlen zeigen.

infobox: "Trotz und Treue - Das Phänomen Sahra Wagenknecht", Dokumentation, Regie und Buch: Henrike Sandner, Kamera: Johannes Straub, Johannes Imdahl, Produktion: Looksfilm (ARD/MDR, 12.6.24, 00.15-1.45 Uhr und seit dem 10.6.24 als vierteilige Doku-Serie in der ARD Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 11.06.2024 12:14 Letzte Änderung: 11.06.2024 12:39

Elisa Makowski

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik (Fernsehen), KWagenknecht, Linke, BSW, KARD, KMDR, Dokumentation, Sandner, Makowski, ema, NEU

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