Nächstes Jahr in Karlsruhe - epd medien

08.03.2024 08:00

Die Finanzkommission KEF hat empfohlen, den Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro zu erhöhen. Mehrere Bundesländer haben eine Steigerung jedoch schon vor Monaten abgelehnt. Die Sender könnten die höhere Finanzierung zwar in Karlsruhe einklagen, schreibt Diemut Roether. Ihre Existenzberechtigung könnten sie aber nur dadurch sichern, dass sie sich stärker von der privaten Konkurrenz unterscheiden.

Neue Runde im Streit über den Rundfunkbeitrag

Der KEF-Vorsitzende Martin Detzel mit dem 24. Bericht der Kommission

epd Eine Überraschung war die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nicht. Seit Monaten war bekannt, dass sie eine Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro empfehlen würde. Dies sei für die Beitragszahler nur eine Steigerung um nicht einmal ein Prozent pro Jahr, sie liege deutlich unter der aktuellen Inflationsrate, sagte der KEF-Vorsitzende Martin Detzel am 23. Februar bei der Vorstellung des 24. Berichts der Kommission.

Der von der KEF errechnete Bedarf von ARD, ZDF und Deutschlandradio liegt weit unter dem, den die Sender im vergangenen Jahr angemeldet hatten (epd 18/23). Hätte die Expertenkommission die von den Sendern angemeldeten Summen anerkannt, hätte der Rundfunkbeitrag fast um das Dreifache, nämlich um 1,58 Cent, auf 19,94 Euro pro Monat ansteigen müssen.

Beschädigtes Verfahren

Unter anderem strich die Kommission das von der ARD beantragte Entwicklungsprojekt "Digitale Erneuerung", für das der Senderverbund für vier Jahre ein Volumen von 328 Millionen Euro angesetzt hatte. Die digitale Transformation müsse aus dem Bestand finanziert werden, argumentiert die KEF.

Dennoch werden die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten die moderate Erhöhung nicht einfach durchwinken. Mehrere von ihnen, allen voran Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU), hatten schon vor Monaten angekündigt, dass sie einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zustimmen werden.

Im Januar hatte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder während der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz sein Nein zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags bekräftigt. Er halte die Höhe des Beitrags und auch das Verfahren, wie dieser festgelegt werde, "nicht mehr für zeitgemäß", sagte Söder. Er forderte, fünf Fernsehkanäle und 14 Radioprogramme beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu streichen und den Fokus in den Programmen wieder mehr auf Bildung und weniger auf Unterhaltung zu legen. Auch solle die Zahl der Klangkörper von 24 auf 12 halbiert werden.

Dummerweise kamen die Medienpolitiker - wie Söder - reichlich spät mit solchen Vorschlägen um die Ecke. Sie hatten seit der jüngsten Erhöhung des Rundfunkbeitrags durch das Bundesverfassungsgericht im August 2021 gut zwei Jahre Zeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu reformieren, ihn zu verkleinern und seinen Auftrag neu zu formulieren.

Das Verfahren der Beitragsermittlung, das nicht von medienpolitischen Forderungen oder Vorlieben geleitet oder beeinflusst sein soll, haben die Ministerpräsidenten und Länder, die sich so früh schon auf ein Nein festgelegt haben, beschädigt. Zu befürchten ist, dass die Frage, wie hoch der Rundfunkbeitrag sein darf und muss, einmal mehr in Karlsruhe beantwortet wird.

Vor vier Jahren, 2020, hatten sich die Ministerpräsidenten darauf geeinigt, den Rundfunkbeitrag um 86 Cent ab Januar 2021 zu erhöhen. Einzig Haseloff hatte sich bei der Abstimmung enthalten, im Dezember strich er die Abstimmung über den Rundfunkbeitrag im Landtag von Sachsen-Anhalt von der Tagesordnung, weil er ein Platzen seiner Regierungskoalition verhindern wollte. Damit war die Beitragserhöhung blockiert.

ARD, ZDF und Deutschlandradio riefen daraufhin das Bundesverfassungsgericht an. Das stellte im Sommer 2021 fest: "Die Mittelausstattung muss nach Art und Umfang den jeweiligen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerecht werden." Der Gesetzgeber, also die Länder, habe "durch materielle, prozedurale und organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Beitragsfestsetzung die Rundfunkfreiheit nicht gefährdet und dazu beiträgt, dass die Rundfunkanstalten durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ihren Funktionsauftrag erfüllen können". Der Beitrag wurde auf Beschluss der Karlsruher Richter auf 18,36 Euro erhöht.

Auftrag und Struktur

Auch die KEF weist in ihrem Bericht auf den Anspruch von ARD, ZDF und Deutschlandradio auf eine bedarfsgerechte Finanzierung hin: Werde die empfohlene Beitragshöhe unterschritten, würde dies "die zur Erfüllung ihres derzeitigen Auftrags notwendige Finanzierung gefährden", schreibt die Kommission. Und: "Eine Abweichung von der Empfehlung ist von Verfassungs wegen nur in Ausnahmefällen und nur einvernehmlich durch alle Länder möglich. Hierfür müssen nachprüfbare Gründe angegeben werden."

Der KEF-Vorsitzende Detzel unterstrich bei der Vorstellung des Berichts, dass die Länder es in der Hand gehabt hätten, den Auftrag für die öffentlich-rechtlichen Sender im Medienstaatsvertrag neu zu formulieren. "Die politisch diskutierten Vorschläge zum zukünftigen Auftrag und der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks können erst dann von der Kommission in einer Beitragsempfehlung berücksichtigt werden, wenn diese konkret in einem Staatsvertrag der Länder geregelt sind", sagte er. Jetzt komme die Forderung der Länder an die Sender, weitere Einsparungen zu realisieren, "zum falschen Zeitpunkt, also zu spät".

Bereits 2019 hatte Detzels Vorgänger als Vorsitzender der KEF, Heinz Fischer-Heidlberger, in öffentlichen Diskussionen geradezu verzweifelt zu erklären versucht, dass sich der Auftrag ändern müsse, wenn der Rundfunkbeitrag nicht steigen soll. Und auch damals war die Debatte um die Reform von Auftrag und Struktur der Rundfunkanstalten schon eine ziemlich alte Platte.

In den vergangenen Jahren haben die Länder vier neue Medienstaatsverträge verabschiedet, in denen sie Auftrag und Struktur der Sender weitgehend unangetastet ließen. Allerdings haben sie den Auftrag mit der im Juli 2023 in Kraft getretenen Novelle flexibilisiert. Seither sind beispielsweise die Spartenkanäle One, ZDFneo, ZDFinfo und Tagesschau24 nicht mehr im Gesetz vorgeschrieben. Auch Phoenix, Kika oder ARD-Alpha könnten ARD und ZDF in digitale Angebote umwandeln.

Umwandlung linearer Sender

Der amtierende ARD-Vorsitzende, SWR-Intendant Kai Gniffke, hatte im Dezember 2022 im "Spiegel" sogar angekündigt, dass "die ARD im Jahr 2023 beginnen wird, einen linearen Kanal einzustellen". Doch geschehen ist bislang nichts dergleichen. Die Entscheidung darüber wurde kürzlich von den Intendantinnen und Intendanten auf Ende dieses Jahres vertagt. Die Medienstaatssekretärin von Rheinland-Pfalz, Heike Raab (SPD), forderte denn auch ARD und ZDF auf, bei den Digitalkanälen zu sparen und einen Zeitplan für die Umwandlung linearer Sender in digitale Angebote vorzulegen.

Der Ton ist gereizt - und die Stimmungslage der Ministerpräsidenten ist diesmal eine andere als vor vier Jahren. Eine Mehrheit der Medienpolitiker scheint entschlossen, sich taub zu stellen und keinen Vertrag für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu entwerfen. Zu groß ist die Angst, sich damit unbeliebt zu machen. Mit der Forderung nach einer Kürzung des Rundfunkbeitrags oder nach "Beitragsstabilität" lassen sich leichter Wahlen gewinnen. Und in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stehen dieses Jahr noch Landtagswahlen an.

Der Chef der sächsischen Staatskanzlei, Oliver Schenk (CDU), verwies kürzlich darauf, dass im Herbst bereits ein neuer Reformstaatsvertrag vorliegen solle, auf dessen Grundlage dann auch der Rundfunkbeitrag neu berechnet werden soll. Er räumte allerdings selbst ein, es sei ein "ehrgeiziges Ziel", dass ein solcher Staatsvertrag in wenigen Monaten von den Ministerpräsidenten beschlossen werden könnte.

Ein Pyrrhussieg

Mit Rechentricks versuchen die Medienpolitiker, um die von der KEF errechnete Erhöhung des Rundfunkbeitrags herumzukommen. Das würde aber nur funktionieren, wenn die Sender, falls die Erhöhung ausbleibt, nicht erneut das Bundesverfassungsgericht anrufen. Doch wieso sollten sie auf die Erhöhung verzichten, wenn sie fast sicher davon ausgehen können, dass die Richter in Karlsruhe erneut zu ihren Gunsten entscheiden werden?

Um eine Klage zu verhindern, übt die Politik mehr oder minder sanften Druck auf die Sender aus. Söder sagte, er würde den Sendern von einem Gang vors Bundesverfassungsgericht "abraten". Und Schenk sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Den Anstalten steht es natürlich frei, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, wenn sie der Meinung sind, nicht bedarfsgerecht finanziert zu sein. Sie hätten wahrscheinlich auch gute Erfolgsaussichten. Nach meiner Überzeugung wäre das aber ein Pyrrhussieg, weil die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch diesen Schritt weiter leiden würde."

Nach der Vorstellung der Länder könnten ARD, ZDF und Deutschlandradio in den kommenden zwei Jahren zunächst die Rücklagen aus dem Rundfunkbeitrag aufzehren, die sie in den vergangenen vier Jahren gebildet haben. Für die Zeit ab 2027 soll es dann eine neue Empfehlung der KEF geben.

Der KEF-Vorsitzende Martin Detzel, der sich in der Regel sehr zurückhaltend äußert, sagte im Deutschlandfunk, es sei eine "sehr sportliche Vorstellung", innerhalb von zwei Monaten einen neuen Medienstaatsvertrag durch alle Landesparlamente zu bringen und anschließend einen neuen Bericht zu erstellen. Für die KEF könne nur ein Auftrag relevant sein, "der eine rechtssichere Basis hat". Und er rechnete vor, dass der Rundfunkbeitrag anschließend voraussichtlich um das Doppelte steigen müsste, nämlich um 1,16 Euro, damit die Sender in den Jahren 2027 und 2028 ausreichend finanziert seien.

Verantwortungsgemeinschaft

Die Verfassungsrichter haben in ihrem Urteil 2021 die Länder in die Pflicht genommen. Diese hätten eine "staatliche Handlungspflicht in Bezug auf die funktionsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten", stellten sie fest. Alle Länder zusammen bildeten eine "föderale Verantwortungsgemeinschaft, wobei jedes Land Mitverantwortungsträger ist".

Doch dieser Verantwortung scheinen sich die Ministerpräsidenten nicht bewusst zu sein. Haseloff sprach nach dem Urteil gar von einem "Demokratieproblem". Offenbar passte es ihm nicht, dass die dritte Gewalt im Staate, die Judikative, die Beitragserhöhung gegen seinen Willen durchsetzen konnte.

Käme die Beitragserhöhung wie von der KEF vorgeschlagen, hätten die öffentlich-rechtlichen Sender zusammen mehr als 10 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr. Das entspricht fast dem Haushalt eines kleineren Bundeslandes wie Thüringen. Es ist also sehr viel Geld im System, und die Frage ist in der Tat, wie man dieses System so reformieren kann, dass es seinen Auftrag, die Gesellschaft gut zu informieren, zwar erfüllt, aber trotzdem nicht immer größer wird.

Das Argument, dass das System zu groß und zu teuer geworden ist, wird jedoch vom Bundesverfassungsgericht kaum als tragfähige Begründung für eine Abweichung der Länder von der KEF-Empfehlung akzeptiert werden. Die Richter schrieben 2021 in ihrem Urteil: "Die eine Abweichung rechtfertigenden Tatsachenannahmen sind nachvollziehbar zu benennen und die daran anknüpfende Bewertung offenzulegen. So muss etwa erkennbar sein, inwiefern der vorgesehene Beitrag seiner Höhe nach die Beitragszahler unangemessen belastet und ein abweichend festgesetzter Beitrag dem Rechnung trägt." Ein Nein aus Prinzip werden die Richter nicht hinnehmen.

Vorschläge für Einsparmöglichkeiten hatten sich die Länder vom Zukunftsrat erhofft, den sie im vergangenen Jahr eingesetzt hatten. Doch die acht Expertinnen und Experten, die den "Rat für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" bildeten, gaben sich nicht lange mit Rechenspielen ab. Sie schauten sehr grundsätzlich auf das öffentlich-rechtliche System und empfahlen den Abbau von Mehrfachstrukturen. Auch das ein Vorschlag, der nicht neu ist. Möglichen Senderfusionen erteilten sie jedoch eine Absage. Es gehe darum, das Regionale zu stärken, betonten sie. Zudem zeigen die Berichte der KEF, dass die kleinen Sender besonders kostengünstig und effizient arbeiten. Da könnten sich wohl eher die großen Sender was von den kleinen abschauen.

Akzeptanz und Quote

Die Länder legten die Vorschläge des Zukunftsrats recht schnell ad acta und machten weiter wie gehabt. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender überhören geflissentlich die dringende Empfehlung des Zukunftsrats, ihre Angebote stärker zu profilieren und von privatwirtschaftlichen Angeboten deutlicher unterscheidbar zu machen. "Die mangelnde Profilierung des Angebots mag kurzfristig der Einschaltquote nützen, schmälert aber auf Dauer die Akzeptanz", hält der Bericht fest.

Das deckt sich mit der Aufgabe, die das Bundsverfassungsgericht in seinem Urteil 2021 für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk formuliert hat. Diese bestehe darin, "als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet". Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe "so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann".

Das Urteil war auch eine deutliche Ermahnung an die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Programme und Angebote so zu gestalten, dass sie über "die Standardformate von Sendungen für das Massenpublikum hinausgehen oder solchen ein eigenes Gepräge geben". Hier müssen die Sender aufpassen, dass sie Akzeptanz nicht mit Quote verwechseln und ihre Angebote nicht allein an Klickzahlen ausrichten. Ihre Existenzberechtigung können sie nur dadurch sichern, dass sie weiter einzigartige Inhalte produzieren, die sich deutlich von der privatwirtschaftlichen Konkurrenz unterscheiden. Sonst könnten die Karlsruher Richter, wenn sie sich das Programm einmal genauer ansehen, zu dem Schluss kommen, dass nicht alles, was mit dem Rundfunkbeitrag finanziert wird, über die Standardformate für das Massenpublikum hinausgeht.

Diemut Roether Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Diemut Roether ist verantwortliche Redakteurin von epd medien



Zuerst veröffentlicht 08.03.2024 09:00

Diemut Roether

Schlagworte: Medien, Rundfunk, Finanzen, KEF, ARD, ZDF, Rundfunkbeitrag, Roether, Medienpolitik

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