Slowakei: Regierung will öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu gründen - epd medien

02.05.2024 09:58

Schwere Zeiten für den Slowakischen Rundfunk: Die neue Regierung unter Ministerpräsident Fico will die Anstalt RTVS auflösen und durch einen neuen Sender ersetzen, der stark unter dem Einfluss der Politik stehen würde. Entscheiden muss nun das Parlament.

Die nationalistische slowakische Kulturministerin Martina Simkovicova will die Sendeanstalt RTVS auflösen

Bratislava (epd). Die slowakische Regierung unter dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico hat am 24. April der Auflösung des öffentlich-rechtlichen Slowakischen Rundfunks (RTVS) zugestimmt. Die Regierung nahm am 24. April den umstrittenen Gesetzesvorschlag der nationalistischen Kulturministerin Martina Simkovicova an. Einen endgültigen Beschluss kann nur das Parlament fassen. Fico kündigte an, er rechne mit einem entsprechenden Parlamentsbeschluss im Juni.

Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalisten lehnen die Entscheidung ab. Sie werfen der Koalition vor, die in Umfragen als objektiv und vertrauenswürdig eingeschätzte Anstalt RTVS durch einen Propagandasender der Regierung ersetzen zu wollen. Mehrere Nichtregierungsorganisationen kündigten Protestbriefe an die EU-Kommission und das EU-Parlament an.

Absetzung nicht möglich

Die Regierung Fico ist seit Oktober 2023 im Amt. Am 15. Juni tritt der neue slowakische Staatspräsident Peter Pellegrini sein Amt an, er gilt als Verbündeter des Ministerpräsidenten. Fico, Vorsitzender der Partei Smer-SD ("Richtung - Slowakische Sozialdemokratie"), hatte bereits die Parlamentswahlen 2006, 2012 und 2016 gewonnen. 2018 musste er nach der Ermordung des Investigativjournalisten Jan Kuciak und den anschließenden Protesten gegen seine Regierung zurücktreten.

Sowohl Kulturministerin Simkovicova als auch Ministerpräsident Fico hatten die RTVS-Führung wiederholt als voreingenommen kritisiert. Absetzen können sie den für eine Funktionsperiode bis 2027 gewählten Generaldirektor Lubos Machaj und sein Führungsteam aufgrund der bestehenden Gesetzeslage aber nicht. Machaj war 2022 vom Parlament gewählt worden, als dort die Gegner Ficos die Mehrheit hatten und die Regierung stellten.

Dieses Hindernis will die Regierung nun durch das neue Rundfunkgesetz umgehen, indem sie RTVS (Rozhlas a televízia Slovenska) auflöst und durch eine neue Sendeanstalt unter dem Namen STR (Slovenska televízia a rozhlas) ersetzt. Fico erklärte bereits im März in Bratislava, er halte die Berichterstattung von RTVS "nicht für objektiv und unabhängig". Das RTVS-Management führe einen "Kampf mit der Regierung".

Designierter Staatspräsident unterstützt Pläne

Auch der designierte Staatspräsident Pellegrini setzt sich für die geplante Rundfunkreform ein. Seine Partei Hlas-SD ("Stimme - Sozialdemokratie") werde das Vorhaben unterstützen und sich für eine "Verbesserung der Sparsamkeit und der Strukturen der Rundfunkprogramme" starkmachen, erklärte er.

Bereits am 11. März hatte das Kulturministerium unter Leitung von Simkovicova den Gesetzentwurf in der Regierung vorgelegt. Die ehemalige TV-Moderatorin hatte bei der Wahl 2023 als Parteilose auf der Liste der Slowakischen Nationalpartei (SNS) kandidiert. Simkovicova erklärte, das Ziel der Reform sei vor allem, die Finanzierung der Sendeanstalt zu sichern. So wolle man das bisher für RTVS geltende Verbot von Werbung im Internet wieder aufheben und die Möglichkeit von Direktzahlungen des Staates für Aufträge weiter ausbauen.

Der STR-Generaldirektor soll künftig durch einen Rat des Slowakischen Fernsehens und Radios gewählt werden. Dessen Mitglieder sollen durch das Parlament und durch die Kulturministerin ausgewählt werden. Der Rat hätte dann auch die Befugnis, den Generaldirektor aus beliebigen Gründen zu entlassen. Der Gesetzentwurf "respektiere" die Abschaffung der Rundfunkgebühren im Jahr 2023 und die vollständige Finanzierung aus dem Staatshaushalt, erklärte das Kulturministerium.

Rundfunkgebühren 2023 abgeschafft

Zum 1. Juli 2023 hatte die Slowakei die Rundfunkgebühren abgeschafft. Das entsprechende Rundfunkänderungsgesetz sieht eine "nachhaltige und stabile Finanzierung" in Höhe von 0,17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem Staatshaushalt vor. Das Parlament billigte im Juni 2023 diese Gesetzesnovelle. Dafür stimmten vor allem die Abgeordneten der christdemokratischen, nationalkonservativen und rechtspopulistischen Parteien. Die Abgeordneten der linkspopulistischen Parteien Smer-SD und Hlas-SD enthielten sich der Stimme.

Die Europäische Rundfunkunion (EBU) zeigte sich am 13. März "äußerst besorgt" über die Rundfunkpläne der slowakischen Regierung, die die redaktionelle Unabhängigkeit des EBU-Mitglieds RTVS bedrohten. EBU-Generaldirektor Noel Curran wertete die Pläne als "kaum verhüllten Versuch, den öffentlich-rechtlichen Slowakischen Rundfunk in ein vom Staat kontrolliertes Medium zu verwandeln."

EBU übt scharfe Kritik

Ende März übte auch Cilla Benkö, seit Januar 2024 Vizepräsidentin der EBU und seit 2012 Generaldirektorin des Schwedischen Radios, scharfe Kritik. "Die Auflösung einer Demokratie kann schnell geschehen", schrieb Benkö in einem Beitrag für die schwedische Zeitung "Expressen". Unabhängige Medien seien oft das erste Ziel. "In der Slowakei versucht der Putin-freundliche und offen Journalisten-feindliche Ministerpräsident Robert Fico gegenwärtig, die Kontrolle über das öffentlich-rechtliche Unternehmen RTVS zu erlangen und Teile der Justiz des Landes zu schließen", so Benkö. "Es ist äußerst wichtig, dass die internationale Gemeinschaft dies nicht schweigend geschehen lässt."

RTVS veranstaltet vier nationale Fernsehkanäle, fünf nationale Hörfunkkanäle und den Auslandshörfunk Radio Slovakia International. RTVS entstand 2011 aus der Fusion von Slowakischem Radio (SR) und Slowakischem Fernsehen (STV).

ebe



Zuerst veröffentlicht 02.05.2024 11:58 Letzte Änderung: 02.05.2024 16:34

Schlagworte: Medien, Slowakei, RTVS, Fico, Pellegrini, Simkovicova, Pressefreiheit, EBU, ebe, NEU

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