Die neue Wahlfreiheit - epd medien

30.05.2024 10:20

Im Juli beginnt für viele Menschen, die in Mietwohnungen leben, eine neue Ära: Vermieter dürfen die Kosten eines TV-Kabelanschlusses dann nicht mehr als Betriebskosten umlegen. Davon wollen die Konkurrenten des Kabelgiganten Vodafone profitieren.

Das Nebenkostenprivileg für Kabel-TV entfällt

Das Nebenkostenprivileg stammt aus der Zeit von Röhrenfernsehern und Holzstempeln

epd Zwischen acht und zwölf Millionen deutsche Haushalte waren bisher von einer Regelung betroffen, die nur Fachleuten unter dem sperrigen Namen "Nebenkostenprivileg" bekannt war. Dabei bekamen Mieter aufgrund von Pauschalverträgen der Wohnungsbaugesellschaften automatisch einen vergünstigten TV-Zugang gestellt, der über die Mietnebenkosten abgerechnet wurde. In diesen Fällen bestand keine Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln.

Die Regelung stammt aus dem Jahr 1984, als der Start des Kabelfernsehens auch der Beginn des Privatfernsehens war. Die Netze waren damals in Händen des Telekom-Vorgängers Deutsche Bundespost. Ironischerweise gehörte die Telekom, die sich Ende der 90er Jahre auf Druck der EU-Kommission von den Kabelnetzen trennte, zuletzt zu den schärfsten Kritikern des Nebenkostenprivilegs, weil dies vielfach auf eine Zwangsabnahme des Vodafone-Kabelsignals hinauslief.

Vodafone: Zahlen steigen stärker als erwartet

Nach langjähriger Diskussion beschloss der Bundesgesetzgeber 2021 eine Neuregelung mit einer Übergangsfrist, die Ende Juni ausläuft. Durch die Änderung sollen die Wahlfreiheit der Verbraucher und der Wettbewerb gestärkt werden. Eine Gefahr für Vodafone, eine Chance für die Telekom mit ihrem IPTV-Angebot Magenta TV und andere Anbieter?

Wer wissen möchte, ob sich bereits eine Verschiebung der Marktverhältnisse abzeichnet, bekommt wenig konkrete Zahlen, aber viel Optimismus geliefert. Marc Albers, Bereichsleiter Breitband und Entertainment bei Vodafone, sagt dem Evangelischen Pressedienstes (epd): "Die Zahlen steigen stärker als bis zum jetzigen Zeitpunkt erwartet." Vodafone glaube, dass viele Mieter weiter auf den "bewährten Kabelanschluss" setzen.

zitat: Fernsehen per App, das ist hier eher schwer vorstellbar

Die in Düsseldorf ansässige Deutschland-Zentrale des internationalen Unternehmens hat den neuen Basis-Fernsehtarif "TV Connect Start" eingeführt, der sich an Mieter richtet, die bislang über die Nebenkosten zahlten - was meist zwischen sieben und neun Euro pro Monat kostete. Um den neuen Tarif für acht bis zehn Euro buchen zu können, müssen Vodafone und der Vermieter eine Kooperation vereinbart haben. Ob dies der Fall ist, lässt sich mit einer Abfrage auf der Webseite des Konzerns überprüfen.

Vodafone-Manager Albers verweist auf Marktforschungsdaten, wonach viele Mieter "Fernseh-Puristen" seien. Die gewohnten Programme seien in dieser Gruppe wichtiger als Streamingdienste oder Internetfernsehen. Zudem seien die betroffenen Mieter eher älter. "Fernsehen per App, das ist hier eher schwer vorstellbar", findet Albers.

Telekom setzt auf Glasfaserausbau

Die Telekom startete im April eine Werbeoffensive und bot den bisherigen Kabel-Pflichtnutzern Magenta TV für die ersten neun Monate zum Nulltarif an. Wer bereits einen Internet- und Festnetzvertrag bei der Telekom hat, zahlt in vielen Fällen anschließend nur fünf Euro zusätzlich. Doch nicht jeder Haushalt kann diese Möglichkeit nutzen: In manchen urbanen Gebieten, die bisher von Vodafone dominiert werden, hat die Telekom noch kein schnelles Internet im Angebot - und das ist Voraussetzung für Magenta TV.

Damit sich diese Situation ändert, setzt das Bonner Unternehmen auf den Glasfaserausbau. Die Telekom wolle bis 2030 mindestens 25 Millionen Haushalten einen Glasfaseranschluss ermöglichen, sagt Konzernsprecher Johannes Maisack dem epd. Bis Ende 2024 sollen es zehn Millionen Anschlüsse sein. Mit dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft sei dazu bereits eine Kooperation vereinbart worden.

Den 1. Juli bewertet Maisack als "historischen Tag" für Millionen TV-Haushalte. Die Abschaffung der TV-Umlage trage der veränderten Mediennutzung der Menschen Rechnung, weil das lineare TV auf der heimischen Couch immer mehr durch alternative Fernsehgewohnheiten abgelöst werde. Magenta TV als "am schnellsten wachsende TV-Plattform in Deutschland" erwarte daher "in diesem Jahr erneut Wachstum", so der Sprecher.

Die Konkurrenten lauern

Konkurrenten wie die Internetplattform Waipu.tv hoffen indes, beim Wettkampf zwischen Vodafone und Telekom die lachenden Dritten zu sein. Waipu.tv, das zur Freenet-Tochter Exaring AG in München gehört, launchte Mitte Mai ein "Rundum-Sorglos-Paket für den Wechsel zum Fernsehen der Zukunft", das auch einen TV-Stick enthält. Für das erste Jahr fallen 59,99 Euro an, danach wird es erheblich teurer. Die Plattform wirbt mit einer einfachen Nutzung über WLAN und einer großen Programmvielfalt.

Wer wechseln möchte, kann auch auf Satellit oder das digitale Antennenfernsehen DVB-T2 umsteigen. In beiden Fällen muss lediglich für die Empfangsgeräte bezahlt werden, um ein Basisangebot zu bekommen. Das Anbringen einer Satellitenschüssel muss allerdings in der Regel vom Vermieter genehmigt werden, Nachteil von DVB-T2 ist die im Vergleich deutlich geringere Senderanzahl.

Nach einer Freenet-Umfrage waren bis November 2023 nur 23 Prozent der betroffenen Nutzer vom Vermieter oder der Hausverwaltung über die anstehende Wechselmöglichkeit aufgeklärt worden. Fast jeder zweite befragte Nutzer eines Kabelanschlusses (48 Prozent) war laut der Umfrage aber bereit, einen neuen TV-Anbieter zu wählen. Wie hoch die Wechselbereitschaft wirklich ist, wird sich nun wohl erst nach der Jahresmitte zeigen.

Michael Ridder Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Michael Ridder ist stellvertretender Verantwortlicher Redakteur von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 30.05.2024 12:20 Letzte Änderung: 30.05.2024 12:22

Michael Ridder

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Infrastruktur, Nebenkostenprivileg, Vodafone, Telekom, Ridder, rid, NEU

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