Bundestag verabschiedet Digitale-Dienste-Gesetz - epd medien

22.03.2024 11:03

SPD-Fraktionsvize Detlef Müller bei der Debatte am Donnerstag im Bundestag

Berlin (epd). Der Bundestag hat am Donnerstag das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) verabschiedet. Der deutsche Rechtsrahmen soll mit dem Gesetz an den Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union angepasst werden. Der DSA schreibt unter anderem vor, dass Internet-Plattformen wie soziale Netzwerke und Onlinehändler Maßnahmen ergreifen müssen, um Nutzerinnen und Nutzer vor rechtswidrigen Inhalten zu schützen. Außerdem werden die Plattformen zu mehr Transparenz verpflichtet und die Verbraucherrechte gestärkt.

Für den Gesetzentwurf stimmten die Regierungsfraktionen von SPD, Grüne und FDP. CDU/CSU und AfD stimmten dagegen, die Gruppe der Linken enthielt sich. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) tritt durch das neue Gesetz weitestgehend außer Kraft. Das Telemediengesetz wird komplett außer Kraft gesetzt. Die betreffenden Inhalte werden künftig unmittelbar durch den DSA oder durch das Digitale-Dienste-Gesetz geregelt. Der DSA gilt seit dem 17. Februar vollständig in allen EU-Mitgliedstaaten.

Der Bundesrat muss noch über das DDG abstimmen. Das Gesetz kann frühestens im Mai in Kraft treten.

Zuständigkeiten bei mehreren Behörden

Auch beim Kampf gegen Desinformation und Hassrede im Netz soll der DSA helfen. Nach Angaben des Bundestags konkretisiert das nun verabschiedete Digitale-Dienste-Gesetz die jeweiligen Zuständigkeiten der Behörden in Deutschland. Für die Aufsicht über kleinere Plattform-Anbieter und die Durchsetzung des DSA in Deutschland soll demnach die Bundesnetzagentur als koordinierende Stelle zuständig sein. Weitere Sonderzuständigkeiten sollen bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz geschaffen werden.

Die Medienanstalten begrüßten am Freitag, dass auch sie als zuständige Behörde für Bereiche des Jugendmedienschutzes benannt werden. "Damit behalten sie ihren bisherigen Zuständigkeitsbereich im Jugendmedienschutz und gewinnen neue Verfahren zur grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung hinzu", teilten die Aufsichtsbehörden am 22. März mit. Die Verfolgung von Hass und Hetze im Internet liege weiter im Zuständigkeitsbereich der Landesmedienanstalten. Sie hätten nun die Möglichkeit, sich als zuständige Behörden mit Anordnungen direkt an Unternehmen im europäischen Ausland zu wenden. Dies sei wegen des Herkunftslandprinzips zuvor nicht unmittelbar möglich gewesen. Dafür hätten sich die Länder und Medienanstalten im Gesetzgebungsverfahren intensiv eingesetzt.

EU-Kommission hat Aufsicht über große Digitalplattformen

Die Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, Eva Flecken, sagte, durch die Diskussion im Deutschen Bundestag sei es gelungen, die Vorschriften aus Brüssel, "die eher der Logik zentral organisierter Staaten folgen, an die föderale Struktur der Bundesrepublik anzupassen". Dabei sei auch der effizienten Zusammenarbeit von Institutionen Rechnung getragen worden.

Entgegen den ersten Entwürfen sei das beschlossene Digitale-Dienste-Gesetz "ein Erfolg für den effektiven Schutz von Menschenwürde und Jugend in den Medien", sagte Tobias Schmid, Europabeauftragter der Medienanstalten: "Es ist schön zu sehen, dass die Idee einer unabhängigen und staatsfernen Aufsicht der Medien am Ende die entscheidende Unterstützung der Länder, des Bundes und vor allem des Bundestages erfahren hat."

Für sehr große Plattformen findet der DSA bereits seit dem 25. August 2023 Anwendung. Sie werden direkt von der EU-Kommission beaufsichtigt. Beschwerden gegen sehr große Online-Plattformen können Nutzerinnen und Nutzer seitdem per Mail an die Kommission richten. In diese Gruppe fallen beispielsweise auch der App-Store von Apple, Booking.com, Instagram, Tiktok, Twitter und Zalando.

Unabhängige und schlagkräftige Digitalaufsicht

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Detlef Müller bezeichnete das Digitale-Dienste-Gesetz als wichtigen Schritt, weil sich "Desinformation und Hasskommentare auf Plattformen wie Tiktok, Instagram und Co." zu einer echten Gefahr für die Demokratie und den konstruktiven Diskurs entwickelt hätten.

Auch Tabea Rößner (Grüne), Vorsitzende des Ausschusses für Digitales, sagte, das Gesetz sei "ein entscheidender Schritt zur Regulierung unseres digitalen Raums". Damit werde die Rechtsgrundlage für eine unabhängige und schlagkräftige Digitalaufsicht in Deutschland geschaffen.

Der Entwurf der Bundesregierung sei von den Koalitionsfraktionen "an entscheidenden Stellen" noch verbessert worden. "Bei digitalen Diensten, die stark im Grundrechtsbereich agieren, muss die Unabhängigkeit der Koordinierungsstelle für Digitale Dienste bei der Bundesnetzagentur gesichert sein", sagte Rößner. Dafür gebe es mit Blick auf die Qualifikation und Unabhängigkeit der Leitungsposition höhere Anforderungen. In einem Ausschreibungsverfahren solle eine geeignete Person durch den Präsidenten der Bundesnetzagentur ausgewählt werden. Die Politik solle hier keinen Einfluss haben.

Inkompatibilitätsregelungen

Wie der Bundestag erläuterte, darf der Leiter oder die Leiterin der Koordinierungsstelle keiner Regierung des Bundes oder eines Landes angehören. Zugleich dürfe der Bewerber nicht gleichzeitig ein Digitalunternehmen innehaben oder leiten. Auch dürfe er kein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates eines Digitalunternehmens sein.

"Die neue Aufsichtsstruktur und die Begleitung durch den Beirat müssen jetzt in den Haushaltsberatungen gut ausgestattet werden, damit der Digitale Koordinator auf Augenhöhe mit den Behörden der anderen Mitgliedstaaten auftreten kann und Forschungsbegleitung auf hohem Niveau erfolgen kann", erklärte die Grünen-Politikerin Rößner.

Im Änderungsantrag des Digitalausschusses hieß es laut Bundestag auch, dass die Koordinierungsstelle ein "leicht zugängliches und benutzerfreundliches Beschwerdemanagement-System" einrichten soll, das getroffene Entscheidungen transparent mache. Auch soll es einen jährlichen Bericht der Bundesregierung über Meldungen beim BKA geben, der erstmals zum 30. Juni 2025 veröffentlicht werden soll. Darin soll "die Art und Anzahl der gemeldeten Straftaten erfasst sein".

Das Gesetz schöpfe die Möglichkeiten zu finanziellen Sanktionen, die der DSA vorgibt, voll aus, teilte der Bundestag mit. Bei Verstößen gegen den DSA könnten Plattformbetreiber mit bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes sanktioniert werden. Der jeweilige Koordinator für digitale Dienste soll auch Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern entgegennehmen und Zugriff auf die Daten von Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen erhalten.

cph/rid/dir



Zuerst veröffentlicht 22.03.2024 12:03 Letzte Änderung: 22.03.2024 18:12

Schlagworte: Medien, Internet, Bundestag, Digitale-Dienste-Gesetz, Detlef Müller, Bundesnetzagentur, cph, rid, NEU

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