Parade der Macho-Gockel - epd medien

22.05.2024 12:22

In der ARD-Serie "Player of Ibiza" sollen fünf sprücheklopfende Boys zu Feministen umerzogen werden. Die Mockumentary, an deren Produktion auch Christian Ulmen beteiligt war, scheut vor keiner Peinlichkeit zurück.

Planschbecken statt Mittelmeer. In "Player of Ibiza" reisen die Kandidaten nicht auf die Insel, sondern in die Nordheide

epd Selbst wer Reality-Trash wie die "Dschungelshow", den "Bachelor" oder "Love Island" nur an der äußersten Peripherie seiner Wahrnehmung an sich vorbeiziehen lässt, kennt die Stilmittel des Genres: die Vorstellung der Kandidaten in kurzen Clips, die bizarren challenges, die sie zu meistern haben, die Kommentierung des Geschehens durch Moderatoren oder die Teilnehmer selbst, die Bauchbinden-Infos, die exzessive Musikuntermalung. All das setzt lustvoll auch die ARD-Miniserie "Player of Ibiza" ein, fügt dem Showkonzept aber noch eine Ebene hinzu.

Gleich zu Anfang offenbart Redakteur Arne (Martin Brambach) seiner Regisseurin Amelie (Larissa Sirah Herden), dass er nach neun Staffeln das Format "umkrempeln" wolle. In einem schmucklosen Konferenzraum, wie er sich beim auftraggebenden NDR in Hamburg-Lokstedt befinden könnte, erklärt er ihr seinen Plan: Statt wie bislang um die Gunst einer "Queen" zu buhlen, sollen die bereits gecasteten Macho-Gockel in einem Bootcamp zu Feministen umerzogen werden. Und weil der Sender sparen muss, geht es diesmal nicht auf die titelgebende Baleareninsel, sondern in einen Blaudach-Bungalow nach Buchholz in der Nordheide. Amelies Skepsis erstickt Arne mit der Aussicht, danach "endlich rein in die Fiction" zu kommen.

Klasse für sich

Der Einbruch einer fiktiven Produktionsrealität in die "Reality" ist der vielleicht beste Kniff der fünfmal 25-minütigen Mockumentary aus der Nachwuchsreihe "Nordlichter". Köstlich sind auch die Einlassungen der prollig-schlichten Moderatorin Shirin (Altine Emini) und der dauerbekifften Kamerafrau Toni (Paula Goos). Eine Klasse für sich sind die Kandidaten, die sich zur Abreise in Hamburg einfinden. Da ist der Blankeneser Schnösel Anthony (Emil Belton), der laut Einblendung mit keiner Frau mehr als einmal geschlafen hat und aus Langeweile seine Putzfrau schikaniert. Zu ihm gesellt sich Gamer-Nerd Jeppe (Sammy Scheuritzel), der "beim Zocken mal 34 h nicht auf Toilette gegangen" ist und reklamiert, dass auch Männer Gefühle hätten: Hunger und Durst.

Player Nummer drei trifft in Person des elegant gekleideten Checkers Abdel (Arman Kashani) ein, der sich als Geschäftsführer einer Donut-Kette und "im Land der Macher geborenen Machedonier" vorstellt. "Allah beobachtet mich stets", erklärt der klein gewachsene junge Mann in unnachahmlicher Diktion und freut sich angesichts des vermeintlich bevorstehenden Ibiza-Trips, "auch mal Amerika zu sehen".

Sehr freie Inszenierung

Komplettiert wird das Quintett vom kettenbehangenen Strähnchen-Rapper Marvin (Charles Booz Jakob) sowie dem testosteronspritzenden Muskelprotz Tim (Bruno Alexander). Ein Panoptikum toxischer Männlichkeit, das Amelie an ihrer Aufgabe zweifeln lässt: "Die Jungs werden in diesem Leben keine Feministen mehr", seufzt sie in die Kamera, "auch nicht im nächsten. Oder dem danach." Sicherheitshalber entscheidet sie, die Probanden zunächst im Unklaren über das geänderte Ziel der Mission zu lassen.

Mittels einer sehr freien Inszenierung, die Raum für Improvisationen lässt, gelingt es den Showrunnern - viele von ihnen schon aus der Erfolgsserie "Die Discounter" aufeinander eingespielt -, Momente von rauer Echtheit zu schaffen. Versprecher werden gnadenlos stehen gelassen. "Wer die sexistische Aktion gemacht hat, der bekommt Schleim auf seinem Kopf", umreißt etwa Shirin eine Prüfung. Gefragt, wer seine Traum-Queen wäre, nennt Abdel den Namen Lea Maneya Randrut.

Ein Höhepunkt ist in Folge zwei der Besuch eines Männlichkeitscoachs (Christoph Glaubacker), der den "Bewältigungsruf" "Auuh" ins Camp einbringt, mit den Kandidaten ringt und schmust, sich aber letztlich als misogyne Fehlbuchung erweist. Kurzerhand legt Ameli , die seit 15 Jahren Judo macht, den Mann im schwarzen Bikini auf den Rücken.

Peinlichkeitsniveau auf "Jerks"-Level

Ausgeteilt wird in alle Richtungen: Der sinnlos gendernde Arne, der die Player fortwährend als Teilnehmer*Innen bezeichnet, bekommt genauso sein Fett weg wie die haltlos sprücheklopfende Boygroup oder Amelie, die die allmählich aufbegehrenden Kandidaten mit kompromittierendem Material der Überwachungskameras auf den Zimmern zu erpressen versucht.

Das Peinlichkeitsniveau bewegt sich auf "Discounter"- und "Jerks"-Level, der Esprit des Mitproduzenten Christian Ulmen ist spürbar. Auch in "Player of Ibiza" treten mehrere Gaststars auf: Die Autorin Mareice Kaiser ist als Feministin Anna König dabei, die Pornoproduzentin Paulita Pappel und die Rapperin Charisma verzichten gleich ganz auf tarnende Rollennamen.

Was aber machen all die Prüfungen und Belehrungen - in Folge fünf kommt noch ein "Ecstatic Dance"-Seminar hinzu - denn nun mit den Kandidaten? Kurz scheint die Umerziehung Früchte zu tragen: Abdel bezeichnet sich stolz als "Pro-Feminist", Marvin gibt zu Protokoll, dass seine Lyrics nicht mehr zeitgemäß seien, und Anthony glaubt nun, er sei non-binär. Aber bald wird klar, dass der zur Schau gestellte Sinneswandel doch mehr mit Amelies Druckmittel zu tun hatte, das die Erpressten schließlich per Festplattendiebstahl an sich bringen. So endet die Feminismus-Edition der Realityshow im Eklat. Die nächste Staffel soll nach bewährtem Muster auf Ibiza gedreht werden.

infobox: "Player of Ibiza", fünfteilige Satireserie, Regie: Bruno Alexander, Emil Belton, Oskar Belton, Buch: Bruno Alexander, Emil Belton, Oskar Belton, Ellen Holthaus, Miriam Suad Bühler, Idee: Ina-Christina Kersten, Kamera: Jacqueline Hochmuth, Tim Prozell, Paul Sommerhalter, Produktion: Pyjama Pictures, Kleine Brüder (One/ARD/NDR, 10.5.24, 23.00-1.10 Uhr und seit 10.5.24 in der ARD-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 22.05.2024 14:22

Peter Luley

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, KARD, KNDR, Ibiza, Luley

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