Wir schaffen das vielleicht - epd medien

02.02.2024 10:41

Das Hörspiel "Blocked Under Ground" von Regine Elbers greift das Thema des 100 Jahre alten Hörspiels "A Comedy of Danger" auf: vier in einem U-Bahn-Schacht eingeschlossene Menschen kämpfen in der Dunkelheit um ihr Überleben.

Produktion des Hörspiels "Blocked Under Ground" im neuen BR-Hörspielstudio

epd Wer sich Tag für Tag in überfüllten U-Bahnen oder Regionalzügen aufhält, kennt diese Momente, in denen man von seinem Smartphone aufschaut, einen Seitenblick auf die Mitfahrenden wirft und sich kurz fragt: Wie würden wir miteinander klarkommen, bräche plötzlich eine Katastrophe über uns herein? Ein solches Szenario machte vor 100 Jahren der britische Schriftsteller Richard Hughes zum Thema des ersten Hörspiels Europas, das exklusiv für das Radio produziert wurde: "A Comedy of Danger", im Januar 1924 vom Sender BBC ausgestrahlt. In einem Bergwerk, das sich mit Wasser füllt, kämpfen drei Eingeschlossene ums Überleben.

Abgeschnitten vom Rest der Welt, fragen sie sich: Wissen "die da oben" Bescheid? Wird Rettung kommen? Und wonach entscheidet sich, wer überleben soll, wenn die Kapazitäten der Retter begrenzt sind?

"Danger" wurde bis heute mehrfach auch auf Deutsch adaptiert. Seine Zeitlosigkeit verdankt das Stück zum einen seinem radikal auf die Hörspielkunst zugeschnittenen Setting: Könnte man das Geschehen genauso gut auf einer Bühne oder im Kino ansehen, bräuchte es kein Hörspiel. Zum anderen bleibt Hughes' Stück aktuell, weil es eine symbolisch aufgeladene gesellschaftliche Krisensituation wie im Labor untersucht.

Komplexer Raumklang

Die Münchner Autorin und Regisseurin Regine Elbers verneigt sich mit ihrem Hörspiel "Blocked Under Ground" nun vor 100 Jahren Radiogeschichte und vor Hughes' Pioniertat - und wagt dabei zugleich selbst einen Schritt in die Zukunft der hiesigen Hörspielproduktion.

Bei Elbers ist es eine U-Bahn, die während Starkregens verunglückt. Die in absoluter Dunkelheit Eingeschlossenen versuchen sich zu befreien und sind dabei - wie schon bei Hughes - ausschließlich auf akustische Signale angewiesen. Damit die Zuhörerschaft sich mitten im Geschehen wähnen kann - behaglich wissend, dass man nicht in Gefahr ist -, hat Elbers ihr Stück, das Teil eines Forschungsprojekts im Programm "Kunst und Design" an der Fakultät Kunst und Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar ist, in 3-D-Audio aufgenommen.

"Blocked Under Ground" ist das erste Hörspiel, das der Bayerische Rundfunk in seinem neuen Studio in Freimann produziert hat. Bis zum Sommer soll die Hörspielproduktion endgültig dorthin umziehen. Dort ist mit Dolby Atmos ein komplexer 360-Grad-Raumklang möglich.

Audiogame und Audiowalk

Man sollte also besonders gute Kopfhörer tragen, um die vibrierend beklemmende Räumlichkeit nachvollziehen zu können. Man hört das jaulende Bersten einer Betondecke, das dunkle Herangluckern von Wasser, das dumpfe Bohren in einer undefinierbaren Ferne - sind das die Retter? - und die panischen, immer wieder gefassten, sogar auch mal albern lachenden Stimmen der vier Verschütteten. Immer wieder fällt der verzweifelt zuversichtliche, beschwörende Satz, dass "wir es gemeinsam schaffen". Die eine Spur zu bühnenreif gesprochenen Stereotypen wie der egoistische Karrierist oder die einfühlsame Ärmel-Hochkremplerin machen es allerdings mitunter ein wenig schwer, sich vom Geschehen packen zu lassen.

Hundert Jahre nach Hughes greift das Radio beherzt in die neuen Medien aus: Um "Blocked Under Ground" auch aus anderen Perspektiven erleben zu können, sind noch ein Audiogame und für Mitte 2024 ein Audiowalk geplant. Selbst in seinen möglichen Verlängerungen ins Immersive zeigt das Hörspiel, was es durch seine Rückgebundenheit ans uralte mündliche Erzählen vielleicht besser kann als jedes Bildmedium: das Verinnerlichen und Erproben der Lage anderer.

infobox: "Blocked Under Ground - Katastrophen-Hörspiel in 3-D-Audio", Regie und Buch: Regine Elbers (BR, 20.1.24, 15.05-16.00 Uhr und in der ARD-Audiothek)



Zuerst veröffentlicht 02.02.2024 11:41

Cosima Lutz