04.12.2024 08:49
epd Die Idee besticht: Kinder mit motorischen Schwierigkeiten üben Zaubertricks und entwickeln so eine vorher nicht für möglich gehaltene Fingerfertigkeit. Die Erklärung ist einfach: Während sie sich auf das Kunststück konzentrieren, vergessen sie ihre Beeinträchtigung. Bei der Produktionsfirma Content Laden (eine ZDF-Tochter) war man der Meinung, dass dies eine ausgezeichnete Basis für ein TV-Konzept sei, in Zusammenarbeit mit der ZDF-Hauptredaktion Show, den Ehrlich Brothers sowie verschiedenen medizinischen und pädiatrischen Einrichtungen sind die Reihen "Magic Moves" und "Magic Moves Kids" entstanden. Bildmaterial und Kommentar sind großenteils identisch, aber die vier fürs Zweite produzierten Episoden à knapp 45 Minuten richten sich eher an Erwachsene, während die halb so langen acht Kika-Folgen stärker den Blickwinkel der zehn beteiligten Kinder berücksichtigen.
Beide Reihen folgen dem klassischen Dokusoap-Muster: Den Rahmen bildet ein zweiwöchiger Workshop auf der oberfränkischen Burg Rabenstein. In Zwischenszenen schildern die Magier und die Kinder ihre Eindrücke, die Leiterin des aus 20 Personen bestehenden Therapieteams erläutert die medizinischen und therapeutischen Hintergründe. Der imposante Schauplatz ist clever gewählt, hier erleben zehn Jungen und Mädchen zwischen acht und 13 Jahren spannende Abenteuer, die Mut erfordern. Dass sich nicht alle getraut haben, mithilfe einer Krankonstruktion in sieben Metern Höhe durch die Luft zu schweben, ist nachvollziehbar.
Die Zaubereien, die am Ende in einer Show präsentiert werden, mögen zwar nicht so aufregend erscheinen wie die spektakulären Bühnendarbietungen der Ehrlich-Brüder, aber die Motivation der Kinder, Tricks mit Karten, Tüchern und Seilen vorführen zu dürfen, ist nicht zu unterschätzen. Voraussetzung für das Gelingen des Experiments war der gute Draht zu den beiden Brüdern: Andreas und Chris Ehrlich, Jahrgang 1978 beziehungsweise 1982, senden viele positive und bestärkende Signale, vermitteln aber nie das Gefühl von Kindtümelei.
Wie gut das Vertrauensverhältnis war, zeigt auch eine abendliche Fragerunde am Kamin, in der alle Beteiligten sehr offen über Themen wie Freundschaft und Glück, aber auch über Verletzungen und Mobbing-Erlebnisse sprechen. Bei Andreas waren diese Erfahrungen der Anlass, sich der Zauberei zu widmen.
Zwischendurch gibt es Besuche bei den Kindern daheim. Sie stellen ihre Eltern, Geschwister und Haustiere vor und sprechen über ihre Hobbys. Wichtig sind diese Exkurse vor allem in Hinblick auf die Krankheit. Die Väter und Mütter erzählen, wie es zu den Lähmungserscheinungen gekommen ist, nicht alle Kinder sind mit Hemiparese geboren worden. Die Jungen und Mädchen geben Einblicke in ihren Alltag und demonstrieren, welche Probleme ihnen die Einschränkungen bereiten.
Auf der Burg üben die Kinder mithilfe der Therapiekräfte Verrichtungen, die für Menschen mit zwei gesunden Händen keine Herausforderung darstellen. Jede Ausgabe beginnt mit den entsprechenden Wünschen: sich alleine die Socken anziehen, einen Zopf binden, mit Messer und Gabel ein Schnitzel zerschneiden. Manchmal arbeiten sie zusammen: Ein Mädchen zeichnet Kästchen, in die ein Junge Stickerbilder einklebt.
Mit Sängerin Kati K. gestalten die Kinder das Bühnenbild für die Abschluss-Show, indem sie mit einer riesigen Zwille Farbbomben auf eine Leinwand schleudern. Das macht Spaß und schult ähnlich wie ein Quadball-Training Kraft und Koordination. Besonders ist die Mitwirkung von Sophie Hauenherm, die das richtige Körpergefühl für den abschließenden Auftritt vermitteln soll. Sie ist das perfekte Vorbild: teilweise querschnittsgelähmt und trotzdem Profitänzerin - mit Gehstützen.
Für den Kika ist das ZDF-Material kindgemäß bearbeitet worden. Ein Intro erklärt vor jeder Folge, worum es geht, die Fehlversuche bei den Schleuderszenen sind mit lustigen Geräuschen unterlegt worden. Als zwei Mädchen so tun, als würden sie Knoten vertilgen, erklingt anschließend ein mächtiger Rülpser, der die ganze Burg erzittern lässt. Die Inserts verraten allerdings, dass es sich nicht um eine originäre Produktion fürs Kinderfernsehen handelt. Dass ein Mädchen seine gelähmte Körperhälfte meint, wenn es von "Schlafseite" spricht, liegt auch ohne die entsprechende Einblendung nahe, aber dass Andreas Ehrlich seine Höhenangst beim Fallschirmspringen überwinden wollte, steht nur in der viel zu kurz gezeigten "Bauchbinde".
Die Fortschritte, die die Kinder machen, sind verblüffend und machen Mut. Bei der Abschluss-Show mit 500 Gästen, darunter vor allem Eltern und Geschwister, gibt es viel Rührung.
infobox: "Magic Moves", vierteilige Dokumentation, "Magic Moves Kids", achtteilige Dokumentation, Regie: Jan Fritzowsky, Kamera: Tobias Liesche, Clemens von Dewitz, Carlo Feist u. a., Produktion: Content Laden (ZDF-Mediathek, seit 27.11.24; ZDF, seit 30.11.24, samstags, 19.25-20.15 Uhr; Kika, seit 1.12.24, sonntags, 14.45-15.35 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 04.12.2024 09:49
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Kinder, Ehrlich Brothers, Fritzowsky, Gangloff
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