Zauberhafte Botschaft - epd medien

17.12.2024 13:33

Seit Anfang Dezember stimmen die Fernsehsender in ihren Programmen mit weihnachtlichen Filmen auf die Feiertage ein. "Alle Jahre wieder" ist ein ARD-Film, der den Zauber von Weihnachten aufnimmt, aber das Romantische unterspielt.

Alle Jahre wieder treffen sich Felix (Klaus Steinbacher) und Hanna (Sinje Irslinger) im Bus von Berlin nach Mittenwald

epd Alle Jahre wieder: Für manche mag das ein Stoßseufzer sein, für die meisten ist es jedoch die Versicherung, dass wenigstens an Weihnachten der Grundkonflikt des modernen Menschen gelöst scheint. Die Zumutungen der Freiheit treten in den Hintergrund und weichen den Bindungskräften der Herkunft, so schwierig sie auch sein mag. Der Herkunftsfamilie längst Entwachsene sitzen wieder daheim unterm Baum, mit einer Mischung aus hoffnungsfroher Erwartung und antizipierter Enttäuschung. Weil das Leben sich auch an Weihnachten trotz Kerzenschein und Bläserseligkeit nicht zum Wunschkonzert der Harmonie fügen will. Aus solcher Verbindung von Routine, Sehnsucht, Fremdheit, Zugehörigkeit und Liebe beziehen fast alle Weihnachtsfilme ihren Stoff und ihre Stimmung. An den Weihnachtstagen hat die Hoffnung zu Recht Konjunktur im Fernsehen.

Öffentlich-rechtliche Weihnachtsfilme treiben es oft entweder mit der familiären Entfremdung und Versöhnung unterm Baum allzu toll oder es müssen einsame Menschen in Kneipen herumsitzen oder an Flughäfen stranden, bis auch der letzte Zuschauer merkt: Daheim ist es doch am schönsten. Selten entwickeln solche Anlassfilme wirklichen Charme und Zauber. Es gibt aber Ausnahmen.

Das füreinander bestimmte Paar

"Alle Jahre wieder" hätte ein weiterer Posten auf der Liste "netter Versuch" sein können. Charly Hübner als herzlich-brummeligen Weihnachtsmann zu besetzen, zeugt nicht von allzu viel Kreativität beim Casting. Und das Motiv des füreinander bestimmten Paars, das natürlich vollkommen gegensätzlich ist, kennt man eher von Rosamunde-Pilcher-Filmen.

Manches könnte schmalzig wirken: Elena Uhligs Rolle der Mutter, die auf der Bank am Wegesrand vor grandioser schneebedeckter Mittenwald-Kulisse dem Sohn von der Anfechtung in ihrer langen Ehe erzählt, oder Lisa Kreuzers Rolle als neu-queere Oma, die noch einmal nach der Altersliebe sucht und sie findet. Doch Elena Uhlig und Lisa Kreuzer haben so viel schauspielerisches Können und Lebenserfahrung, dass sie auch solchen Rollen Leidenschaft, Lebenslust und Intensität verleihen können.

Roadmovie mit Berglandschaft

Die Neben-Liebesgeschichte zwischen dem weihnachtlich gekleideten Busfahrer (Charly Hübner) und einer alleinerziehenden Mutter (Maria Simon) mit einem herzkranken Sohn (Lennox Louis) kommt mit wenigen treffenden Sätzen aus.

Der Hauptkonflikt braucht Zeit: Hier die junge bindungsabgeneigte Hanna (Sinje Irslinger), die mit ihrer Oma (Kreuzer) jedes Jahr Weihnachten feiert, weil ihr Vater irgendwo auf der Welt wieder das Bachsche Weihnachtsoratorium dirigiert und die Mutter mit dem neuen Freund die Welt umsegelt. Dort Felix (Klaus Steinbacher), ein junger Mann, der es mit Traditionen hat und unbedingt an Heiligabend Verlobung feiern will, mit Saskia (Leslie-Vanessa Lill). Hanna und Felix treffen sich im Fernbus von Berlin nach Mittenwald, alle Jahre wieder kurz vor Weihnachten.

Vier Jahre lang steuert der Bus in diesem Roadmovie mit Bergblick am 23. Dezember wieder und wieder vom betongrauen Busbahnhof in Berlin in die strahlend weiß-blaue Heimat, wo Felix mit Mutter Eva (Uhlig), Vater Anton (Philipp Moog) und Opa Hans (Hans Stadlbauer) Gans isst und Schokomousse oder Bratapfel. Wo Felix' Schwester Toni (Lilly Vogler) Jahr für Jahr einen neuen Freund im Schlepptau hat, bis sie merkt, wer der Richtige ist. Jedes Jahr hält der Bus an der Tanke, wo Felix und Hanna ein Trinkritual erfinden. Dort spielt auch das Finale - nicht in der allzu romantischen Schneeberglandschaft. Zu alten Traditionen kommen neue, alle werden erfreut empfangen.

Treffende Beobachtungen

Gesteht man zu, dass Weihnachtsfilme mit den entsprechenden Stimmungs- und Versatzstücken zu arbeiten haben, und dass es eher auf das Wie ankommt, ist zu konstatieren: "Alle Jahre wieder" ist zauberhaft. Das Buch von Tommy Wosch, der auch Produzent war, nimmt sich Zeit für die Frohe Botschaft, aber auch für zahlreiche Details und treffende Beobachtungen. Die Inszenierung von Felix Herzogenrath hat einen schönen Flow, die Kamera von Jakob Wiessner beobachtet genau und unterspielt das Romantische. Der Film ist hervorragend besetzt und klasse gespielt, hat eine passende Haupt- und charmante Nebenhandlungen, wird zur Feier der Familie.

Familie ist freilich hier auch Wahlfamilie oder Neufamilie oder Patchwork, ein Ort der Geborgenheit und notwendiger Konflikte. Sogar, das wird zumindest angedeutet, Ort der Freiheit. Von einem Weihnachtsfilm kann man sich nicht mehr wünschen.

infobox: "Alle Jahre wieder", Fernsehfilm, Regie: Felix Herzogenrath, Buch: Tommy Wosch, Kamera: Jakob Wiessner, Produktion: Ufa Fiction (ARD-Mediathek/Degeto, seit 4.12.24, ARD 6.12.24, 20.15 - 21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 17.12.2024 14:33

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Fernsehfilm, Wosch, Herzogenrath, Hupertz, Weihnachtsfilm

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