30.12.2024 12:11
Mainz (epd). Nach Ansicht des Journalistik-Professors Tanjev Schultz hat die "Welt am Sonntag" mit dem umstrittenen Gastbeitrag des US-Unternehmers Elon Musk der politischen Debattenkultur in Deutschland massiv geschadet. "Die 'Welt' hat sich instrumentalisieren lassen von dem US-Unternehmer Elon Musk, der als Quereinsteiger in die US-Politik offen Rechtspopulisten hofiert", kritisierte Schultz in einem Gespräch mit dem epd in Mainz. "Damit wurde Musk eine Bühne gegeben ohne direkten Widerspruch."
In dem Gastbeitrag hatte der Tech-Milliardär am Wochenende für die AfD geworben. Der Text löste Empörung aus, die Zeitung wurde für die Veröffentlichung kritisiert.
Schultz bezeichnete den Gastbeitrag als Zäsur. Neu sei, dass die AfD mitten in der Wahlkampfzeit von außen, in diesem Fall von einem Unternehmer, beworben werde. "Und zwar nicht innerhalb eines Interviews, in dem sich Musk gegebenenfalls kritischen Fragen stellen müsste." Die Darstellungsform eines Gastbeitrages, der für sich stehe, sei höchst fragwürdig und werde der Idee einer konstruktiv-kritischen Öffentlichkeit nicht gerecht, sagte Schultz, der früher als Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung" arbeitete und heute an der Universität Mainz zum Verhältnis von Medien und der AfD forscht.
Der scheidende "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt und sein designierter Nachfolger Jan Philipp Burgard hatten die Veröffentlichung des Gastbeitrages von Elon Musk verteidigt. Sie erklärten, dass Demokratie und Journalismus von Meinungsfreiheit lebten. Burgard setzte außerdem Musk in der Zeitung eine Erwiderung entgegen.
Schultz sagte, dass die Ausführungen Musks von einer eklatanten Ahnungslosigkeit beim Thema deutsche Politik zeugten. Vor diesem Hintergrund Musk dennoch solch ein Forum zu bieten, sei "extrem seltsam und ungewöhnlich." Die Kritik daran aus Politik und Öffentlichkeit sei deswegen auch verständlich. "Die Frage ist, warum sich eine Zeitung so etwas antut."
Zwar gebe es eine gewisse Nähe und Bewunderung für Elon Musk durch den Springer-Verlag, der Musk 2020 den Axel Springer-Award verliehen hatte. Vielleicht spielten bei der Entscheidung, Musk einen Gastbeitrag einzuräumen, aber auch geschäftliche Interessen des Verlags eine Rolle, erklärte Schultz. Springer hatte in den vergangenen Jahren mehrmals angekündigt, die Reichweite in den USA deutlich ausbauen zu wollen.
ema
Zuerst veröffentlicht 30.12.2024 13:11 Letzte Änderung: 30.12.2024 14:50
Schlagworte: Wahlen, Medien, Parteien, Rechtsextremismus, INT, NEU
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