Rundfunkbeitrag: Gniffke und Buhrow verteidigen Verfassungsbeschwerde - epd medien

20.11.2024 15:16

Die ARD-Intendanten Kai Gniffke und Tom Buhrow verteidigen die Entscheidung von ARD und ZDF, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht zum Rundfunkbeitrag einzulegen. Der Medienrechtler Wolfgang Schulz sieht gute Erfolgschancen für die Sender. Kritik an dem juristischen Vorgehen kommt von den Staatskanzleien aus dem Saarland und aus Sachsen-Anhalt.

Kai Gniffke bei den Medientagen München 2024

Frankfurt a.M. (epd). Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke hat die Verfassungsbeschwerde von ARD und des ZDF zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags verteidigt. "Der Schritt fällt uns nicht leicht. Aber alle müssen sich an Recht und Gesetz halten. Auch die Ministerpräsidenten", sagte Gniffke der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" für die am Donnerstag erscheinende Ausgabe.

Gniffke, der SWR-Intendant ist, hält die Beschwerde der öffentlich-rechtlichen Sender für angemessen: "Wenn wir hier fünfe gerade sein lassen, ist das ganze Verfahren beschädigt und damit die unabhängige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine Grundlage unserer Unabhängigkeit, perdu."

Am Dienstag hatten die beiden öffentlich-rechtlichen Sender mitgeteilt, dass sie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Den Eingang einer Verfassungsbeschwerde mit Bezug zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags bestätigte das Gericht in Karlsruhe am Dienstagabend auf epd-Anfrage. Prozessvertreter der ARD ist der Kölner Medienrechtler Karl-Eberhard Hain, wie der Senderverbund dem epd am Mittwoch mitteilte. Das ZDF erklärte, es werde in Karlsruhe durch den Rechtswissenschaftler Christian von Coelln vertreten, der ebenfalls an der Universität Köln lehrt.

Buhrow: ARD hatte keine Wahl

WDR-Intendant Tom Buhrow befürwortete die Beschwerde ebenfalls. Die Sender bauten ihre Haushalts-Planungen auf der Empfehlung der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) auf, sagte er am Mittwoch vor dem WDR-Rundfunkrat. Gleichzeitig gehe es um das Prinzip der Staatsferne. "Wir hatten keine Wahl als Verfassungsbeschwerde einzulegen", so Buhrow.

Die Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer hatten sich im Oktober auf eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geeinigt, einen Beschluss zum künftigen Rundfunkbeitrag jedoch bis zum nächsten Treffen am 12. Dezember in Berlin verschoben. Die KEF hatte eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich zum Jahreswechsel empfohlen.

Grundsätzliche Bemerkungen möglich

Der Medienrechtler Wolfgang Schulz räumte indessen der Verfassungsbeschwerde gute Erfolgschancen ein. "Wenn die Länder den KEF-Vorschlag ohne verfassungsrechtlich tragfähige Begründung nicht umsetzen, ist fast sicher, dass die Beschwerde Erfolg hat", sagte er dem epd. Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass das Gericht die Chance nutze, grundsätzliche Bemerkungen zum Rundfunksystem zu machen, die nicht im Interesse der Anstalten lägen. "Ohne Risiko ist es also für ARD und ZDF nicht, diesen Weg zu beschreiten", sagte Schulz, der Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung in Hamburg ist.

Dass die Anstalten Verfassungsbeschwerde erheben, sei zu erwarten gewesen, so der Wissenschaftler: "Eigentlich können sie gar nicht anders, denn sie haben ja einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, den sie nur mit hinreichenden finanziellen Mitteln umsetzen können." Die Länder hätten in einem Reformstaatsvertrag Maßnahmen beschlossen, die mittelfristig zu Einsparungen führen können. Jedoch sei es sehr unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen so früh griffen, dass der Rundfunkbeitrag jetzt nicht angepasst werden müsse. "Insofern haben die Anstalten kaum eine andere Wahl, als den Gang nach Karlsruhe anzutreten."

Taktische Frage

Dabei sei der Zeitpunkt mehr eine taktische als eine rechtliche Frage. "Die Anstalten gehen offenbar davon aus, dass die Klage den Einigungsdruck bei den Ländern erhöht", sagte Schulz. Ob das klug gewesen sei, werde sich zeigen. "Es kann durchaus sein, dass sich die Fronten eher verhärten und diejenigen sich bestärkt fühlen, die am Sparwillen der Anstalten zweifeln und denen die verfassungsrechtlichen Grenzen womöglich egal sind." Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei grundsätzlich die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde möglich: "Ich kann mir vorstellen, dass dies geschieht, wenn die Länder sich zu einer Lösung durchringen können."

Auch die ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) unterstützt die Verfassungsbeschwerde. Auf Anfrage des epd am Dienstagabend in München teilte sie mit: "Dass die Intendantinnen und Intendanten der ARD die bedarfsgerechte Finanzierung nötigenfalls auch mit einer Klage beim BVG absichern müssen, war in der GVK zu keinem Zeitpunkt strittig." Die konkrete Umsetzung und Abwägung aller dabei zu berücksichtigenden Faktoren obliege allerdings letztlich den Intendantinnen und Intendanten, welche die Anstalten nach außen vertreten, hieß es.

Robra: Beitragserhöhung nicht notwendig

Kritik kam derweil von weiteren Landesregierungen. Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) sagte am Mittwoch im Magdeburger Landtag, der Zeitpunkt der Klage - einen Tag vor einer Sitzung der Rundfunkkommission der Länder - habe ihn gestört. "Das ist nicht die feine Art gewesen, man hätte auch warten können", meinte Robra.

Zudem sei die Klage "definitiv verfrüht". Die Länder hätten sich mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über ein neues Finanzierungsmodell unterhalten wollen. "Die Kernbotschaft im Rahmen der Finanzierung ist: Es gibt 2025 keine Beitragserhöhung", sagte der Minister. Die 16 Ministerpräsidenten seien sich bei ihrer Konferenz im Oktober in Leipzig praktisch einig gewesen, dass diese nicht notwendig sei.

Es gebe eine Rücklage von einer Milliarde Euro bei den Anstalten. Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro würde der ARD insgesamt 204 Millionen Euro bringen, dem ZDF 65 Millionen, so Robra. Diese Summen seien durch die Rücklagen bereits gedeckt: "Zu behaupten, in 2025 und 2026 würde der Notstand ausbrechen, ist schlicht und ergreifend falsch." Der Staatskanzleichef erteilte auch Forderungen nach einem Indexmodell für den Rundfunkbeitrag eine Absage. "Es wird keine Automatismen geben", betonte er.

Der Gang zum Verfassungsgericht kann auf Dauer kein geeigneter Weg sein.

Der saarländische Staatssekretär Thorsten Bischoff (SPD) erklärte am Dienstagabend in Saarbrücken: "Der Gang zum Verfassungsgericht kann auf Dauer kein geeigneter Weg sein, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfest zu machen und seine Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erhalten." Zuvor hatten auch der Vorsitzende der Rundfunkkommission, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD), und der sächsische Ministerpräsident und Co-Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Michael Kretschmer (CDU), die Entscheidung von ARD und ZDF bedauert.

Die Medienpolitik darf nur unter eng definierten Voraussetzungen von der KEF Empfehlung abweichen. Eine Erhöhung zum 1. Januar hatte die in Medienfragen federführende Staatskanzlei Rheinland-Pfalz bereits Mitte September aus verfahrenstechnischen Gründen ausgeschlossen.

ema/lob/vnn



Zuerst veröffentlicht 20.11.2024 05:45 Letzte Änderung: 20.11.2024 16:16

Schlagworte: Medien, Rundfunk, Reformen, Bundesländer, Gniffke, Schulz, Rundfunkbeitrag, ARD, ZDF, ema, NEU

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