Verknallter Teufel - epd medien

22.12.2024 10:00

Im "Märchen von der Silbernen Brücke" wollen die kleine Rose und ihr älterer Bruder Heinrich die Märchen retten. Dazu müssen sie zur Zauberin Liebegüte. Ulrike Steglich hätte sich von dem neuen ARD-Märchenfilm ein wenig mehr Opulenz gewünscht.

Christina Große als Hexe, Alma von Aulock als Rose, Leo Alonso-Kallscheuer als Heinrich, Detlev Buck als Teufel und Johanna Gastdorf als Zauberin Liebegüte bei den Dreharbeiten zu "Das Märchen von der silbernen Brücke"

epd Die kleine Rose und ihr älterer Bruder Heinrich sind oft sich selbst überlassen: Die Eltern arbeiten schwer und viel. Um über die Runden zu kommen, müssen sie täglich in ihrer Backstube mindestens hundert Brote backen. Da bleibt keine Zeit, Märchen vorzulesen. Diesen traurigen Umstand beklagt auch die Zauberin Liebegüte, in deren Schloss ein riesiges Uhrenwerk arbeitet: "Niemand hat mehr Zeit, niemand hört mehr zu, jeder ist nur noch mit sich selbst beschäftigt." Eine sehr moderne Klage also.

Als die kleine Rose in einer Ecke der Backstube das alte, etwas eingestaubte Märchenbuch wiederentdeckt und mit ihrem Bruder darum streitet, fällt das Buch zu Boden und einige wunderliche Gestalten purzeln heraus, unschwer zu identifizieren als Rotkäppchen, Schneewittchen, Rumpelstilzchen, Hexe und Teufel. Doch weil das Märchenbuch nun auch seine letzte Kraft verloren hat, können sie nicht wieder zurück in die Märchenwelt - nur die Zauberin Liebegüte und ihr "Rad der Zeit" können das Buch wiedererwecken und damit die Märchen retten.

Ein Ungeheuer will das Märchenbuch verschlingen

Die neue ARD-Märchenverfilmung basiert auf dem Kunstmärchen "Die Silberne Brücke". Es wurde von Hertha Vogel-Voll (1898-1975) 1937 als Theaterstück verfasst, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg uraufgeführt. In dem von der deutschen Romantik inspirierten Märchen müssen die beiden Kinder eine blaue Blume finden, um zu verhindern, dass die Herzen der Menschen versteinern.

Der Weg in den Märchenwald, den die Kinder dafür bewältigen müssen, führt über eine silberne Brücke. Dort droht jedoch buchstäblich ein "dickes Ende": Ein Ungeheuer, das das Märchenbuch verschlingen will, damit alle Märchen aus der Welt verschwinden. Um die Kinder sicher durch den Wald zu bringen, sollen der Teufel und die Hexe sie begleiten.

Witz und Spielfreude

Regisseur Cüneyt Kaya, der unter anderem "Das Märchen vom goldenen Taler" (2022) inszenierte, und Autor Enrico Wolf haben die literarische Vorlage etwas entstaubt und modernisiert. Frische bringen vor allem zwei Figuren ins Spiel: Die Hexe und der Teufel sind, statt auf die Kinder aufzupassen, viel mehr mit ihren Kabbeleien beschäftigt und wetteifern mit immer wieder misslingenden Zauberstückchen. Dann verknallt sich der Teufel auch noch in die Hexe, was zu einer originellen Romcom unter Märchenfiguren führt.

Christina Große als Hexe und Detlev Buck als Teufel sind mit viel Witz und enormer Spielfreude am Werk und kongenial kostümiert und maskiert - insbesondere Buck ist kaum zu erkennen. Sie tragen diesen Film, aber auch Ceci Chuh als naiv-romantisches Schneewittchen, das sich immer wieder in Träumereien von Prinzen verliert, das vernünftige Rotkäppchen (Stephanie Amarell) oder das unbeherrscht-trotzige Rumpelstilzchen (Rauand Taleb) setzen hübsche Akzente voller Situationskomik.

Sparsame Optik

Überhaupt ist der Film prominent besetzt: Johanna Gastdorf spielt die Zauberin Liebegüte, Luise Wolfram und Peter Schneider die hart arbeitenden und dennoch liebenden Eltern. Etwas enttäuschend fällt dagegen ausgerechnet das "Dicke Ende" aus. Jene Figur, die tragend für die Handlung und angeblich so gruselig und gefährlich ist, kommt so harmlos zottelig-täppisch daher, dass es nicht wundern würde, wenn kleine Zuschauerinnen und Zuschauer das Wesen als Samson aus der Sesamstraße identifizieren.

Die ARD-Märchenreihe "Sechs auf einen Streich" und auch das ZDF-Pendant "Märchenperlen" haben in den vergangenen Jahren hohe Maßstäbe gesetzt mit liebevoll gestalteten und opulent ausgestatteten Märchenverfilmungen wie "Zwerg Nase", "Rübezahls Schatz", "Die Hexenprinzessin" oder dem "Märchen von der Regentrude". An dieses hohe Niveau reicht "Das Märchen von der silbernen Brücke" nicht heran. Das liegt zum einen an der sehr geradlinigen Geschichte, der es an erzählerischen Facetten mangelt, und zum anderen daran, dass die Botschaft eher verbal pädagogisch als sinnlich transportiert wird.

Auch optisch wirkt die Verfilmung stellenweise so, als wollte der RBB deutlich zeigen, wie sehr der Sender sparen muss. Zwar ist die Backstube mit viel Liebe zum Detail ausgestattet, aber der Märchenwald ist in weiten Teilen ein sehr durchschnittlicher grüner Wald. Auch sonst hätte man sich ein wenig mehr märchenhafte Opulenz gewünscht - wenigstens an Weihnachten.

infobox: "Das Märchen von der silbernen Brücke", Märchenfilm, Regie: Cüneyt Kaya, Buch: Enrico Wolf nach Motiven von Hertha Vogel-Voll, Kamera: Nikita Romanov, Produktion: NFP (ARD-Mediathek/RBB, seit 18.12.24; ARD 25.12.24, 14.45-15.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 22.12.2024 11:00

Ulrike Steglich

Schlagworte: Medien, Kritik, Fernsehen, Kritik.(Fernsehen), KARD, KRBB, Märchenfilm, Kaya, Wolf, Steglich

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