Polen: Czabanski als Vorsitzender des Nationalen Medienrats abberufen - epd medien

18.10.2024 11:22

In Polen geht der politische Dauerstreit um die öffentlich-rechtlichen Medien weiter: Das Parlament setzte mit der Mehrheit von Ministerpräsident Tusks Regierungskoalition den rechtskonservativen Vorsitzenden des Nationalen Medienrats ab. Als Grund wird ein Interessenkonflikt angegeben.

Der nationalkonservative polnische Medienpolitiker Krzysztof Czabanski (Archivbild)

Warschau (epd). Das polnische Parlament hat den Vorsitzenden des Nationalen Medienrats (RMN), Krzysztof Czabanski, abgesetzt. Wie am 11. Oktober in Warschau mitgeteilt wurde, traf der Sejm am gleichen Tag mit 257 zu 183 Stimmen die Entscheidung, den 76-Jährigen als Mitglied des Gremiums abzuwählen. Für die Ablösung stimmten die Abgeordneten der Regierungskoalition von Ministerpräsident Donald Tusk aus liberal-konservativer Bürgerkoalition (KO), dem Wahlbündnis "Dritter Weg" (TD) und sozialdemokratischen Linken (L) sowie die Vertreter der rechtspopulistischen Partei "Konföderation".

Dagegen votierten die Vertreter der nationalkonservativen Opposition unter Führung von Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Czabanski wurde wegen eines Interessenkonflikts abgewählt, weil er dem Aufsichtsrat des Lech-Kaczynski-Instituts angehört, das über Verbindungen zu verschiedenen PiS-nahen Medienorganisationen verfügt. Lech Kaczynski war polnischer Staatspräsident von 2005 bis 2010 und kam bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben. Er war der Zwillingsbruder des heutigen Oppositionsführers.

Tusk will RMN abschaffen

Der Nationale Medienrat wurde 2016 als zusätzliches Aufsichts- und Kontrollgremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Fernsehen TVP, Polskie Radio und regionaler Hörfunk) und der Nachrichtenagentur PAP von der damaligen PiS-Regierung im Rahmen einer Medienreform eingesetzt. Der PiS-Medienpolitiker Czabanski, der diese Reform maßgeblich als Staatssekretär im Kulturministerium mitgestaltet hatte, stand seit seiner Gründung 2016 an der Spitze des RMN.

Dem Gremium gehören fünf Mitglieder für jeweils sechs Jahre an. Drei Mitglieder werden vom Sejm gewählt, zwei werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Opposition ernannt. Der Nationale Medienrat ernennt die Mitglieder der Aufsichtsräte und Vorstände des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Nachrichtenagentur PAP und beruft sie ab.

Die Regierung Tusk will den Nationalen Medienrat, der 2016 vom polnischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, abschaffen und seine Aufgaben wieder an den Nationalen Rundfunkrat (KRRiT) übertragen. Der KRRiT ist derzeit nur für private Medien zuständig.

Veränderungen bei TVP nach Medienreform

Nach der Medienreform der Regierung Tusk im Dezember 2023, die insbesondere für das Fernsehen TVP personelle und inhaltliche Veränderungen bedeutete, wechselten zahlreiche nationalkonservative Journalisten von den bis dahin von der PiS-Regierung kontrollierten öffentlich-rechtlichen Medien zum TV-Sender "Telewizja Republika" und anderen rechtsgerichteten Medien. "Telewizja Republika" erreichte im September 2024 einen Marktanteil von 4,7 Prozent und belegte damit den sechsten Platz unter den polnischen Fernsehsendern.

Urszula Augustyn, stellvertretende Vorsitzende des Sejm-Kulturausschusses und KO-Abgeordnete, erklärte, dass die Position von Czabanski innerhalb des Lech-Kaczynski-Instituts dem Verbot der Teilnahme oder des Besitzes von Aktien an einem Unternehmen widerspreche, das Mediendienste bereitstelle oder Radio- oder Fernsehprogramme produziere. Joanna Lichocka (PiS), ebenfalls Vize-Vorsitzende des Kulturausschusses und selbst Mitglied des RMN, bezeichnete den Antrag dagegen als "Anschlag der Regierung auf die Medien" und nannte den Vorwurf des Interessenkonflikts "unbegründet".

Patt soll aufgelöst werden

Mit der Abberufung Czabanskis entstand im RMN ein Patt, bei dem sich je zwei Mitglieder von der PiS - Joanna Lichocka und Piotr Babinets - und zwei RMN-Mitglieder von der jetzigen Regierungskoalition - Robert Kwiatkowski und Marek Rutka (beide L) - gegenüberstehen. Innerhalb eines Monats will der Sejm nun mit der Mehrheit der Regierung Tusk ein fünftes, für die Mehrheit im RMN entscheidendes Mitglied wählen und so die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die PAP erringen.

Damit könnten diese Medien möglicherweise früher ihre jetzige "Liquidationsphase" verlassen, in die sie zum Jahreswechsel von der Regierung versetzt worden waren. Staatspräsident Andrzej Duda, der der PiS nahesteht, hatte zuvor am 24. Dezember sein Veto gegen den Haushalt 2024 der neuen Regierung eingelegt. Dazu gehören auch drei Milliarden Zloty (691 Millionen Euro) für die öffentlich-rechtlichen Medien.

An ein neues Rundfunk- oder Mediengesetz in Polen sei nicht zu denken, solange Duda dagegen sein Veto einlegen würde, heißt es aus Regierungskreisen in Warschau. Duda ist noch bis Anfang August 2025, dem Ende seiner zweiten fünfjährigen Amtszeit, Staatspräsident. Spätestens im Mai 2025 findet die Wahl eines neuen Staatspräsidenten statt. Die Wahl gilt als offen zwischen den noch nicht nominierten Kandidaten der Regierungskoalition und der Opposition.

ebe



Zuerst veröffentlicht 18.10.2024 13:22

Schlagworte: Medien, Polen, Tusk, RMN, Czabanski, ebe, Medienreform

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