Adidas statt Nike - epd medien

05.06.2024 07:55

Bei der Fußball-EM 2024 werden Fernsehzuschauer in Deutschland, China und den USA nicht die Bandenwerbung sehen, die in den deutschen Stadien gezeigt wird. Die UEFA setzt dort auf virtuelle Werbung, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Volker Nünning hat sich diese Werbeform und ihre rechtlichen Rahmenbedingungen näher angesehen.

Virtuelle Werbung kommt auch bei der Fußball-EM zum Einsatz

Bandenwerbung beim Fußballspiel Deutschland-Kolumbien im Juni 2023 in Gelsenkirchen

epd Das Fernsehbild hat Aussetzer, auch der Ton ist nicht optimal. Die RTL-Fußballübertragung aus East Hartford ist am 14. Oktober 2023 Oktober stark gestört. Das Spiel der deutschen Herren-Nationalmannschaft gegen die USA lässt sich erst nach 25 Minuten einwandfrei verfolgen. Der Grund: RTL schaltet dann die Technik ab, mit der zuvor die US-Bandenwerbung im TV-Bild virtuell durch deutsche Werbepartner ausgetauscht wurde. Dadurch sollte etwa Adidas - bis 2026 noch DFB-Sponsor - anstelle von Nike zu sehen sein.

Für das reibungslose Überblenden der Bandenwerbung sollte ein Technikdienstleister sorgen, mit dem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kooperiert. Das klappte offenbar nicht, Störungen beim Überblenden sollen die Bild- und Tonprobleme ausgelöst haben. Die RTL-Zuschauer sahen in der Folge US-Werbung auf den Banden. Solche Pannen möchte der europäische Fußballverband UEFA, der bei der Fußball-EM in Deutschland ebenfalls auf virtuelle Werbung setzt, sicher vermeiden.

"Virtual Board Replacement"-Versionen

Bei dieser Werbeform wird Reklame auf Stadionbanden durch Werbung überblendet, die sich speziell an das TV-Publikum in bestimmten Ländern richtet. Verantwortlich dafür sind die Veranstalter eines Sportevents, die so zusätzliche Werbeeinnahmen erzielen können - bei der am 14. Juni beginnenden Fußball-EM ist das die UEFA. Die Übertragungsrechte an allen 51 EM-Begegnungen hat der Verband weltweit verkauft, die TV-Bilder lässt er über Partner produzieren.

In drei Ländern erhalten die Inhaber der Medienrechte eine Version der Spielübertragungen, in der die Bandenwerbung virtuell verändert ist, wie die UEFA auf Anfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) mitteilt. Diese "Virtual Board Replacement"-Versionen betreffen Deutschland, die USA und China. Das Fernsehpublikum in diesen drei Ländern werde "maßgeschneiderte Werbung auf den Banden sehen", die auf die jeweilige Zuschauerschaft ausgerichtet sei.

In Deutschland übertragen vier Sender die EM-Partien: das Erste, ZDF, RTL und Magenta TV, das Bezahlangebot der Deutschen Telekom. Sie alle erhalten laut UEFA die für den deutschen Markt vorgesehene "Replacement"-Version. Dadurch wird sich ein kurioser Effekt ergeben: Bei den EM-Übertragungen deutscher Sender wird die im Fernsehen zu sehende Bandenwerbung nicht mit der in den deutschen Stadien übereinstimmen.

Staatsvertrag enthält Kennzeichungpflicht

Wird die Bandenwerbung virtuell verändert, müssen die Sender dies zu Beginn und am Ende kennzeichnen. So ist es im Medienstaatsvertrag verankert, die Vorschrift gilt bereits seit dem Jahr 2000. Die Sender blenden dann den Hinweis "Die Sendung enthält virtuelle Werbung" ein.

Festgelegt hat der Gesetzgeber damals neben der Kennzeichnung noch einen zweiten Punkt: Virtuelle Werbung in Sendungen ist nur zulässig, wenn "eine am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird". Damit wollten die Bundesländer verhindern, dass nicht vorhandene Werbeflächen bei der Übertragung virtuell geschaffen werden, wie in der Begründung für die damalige Staatsvertragsänderung nachzulesen ist.

Die bisherige Kennzeichnung von virtueller Werbung bei Sportübertagungen entspreche den rechtlichen Vorgaben, bestätigt der Medienrechtler Karl-Eberhard Hain. Ob sie für das Fernsehpublikum aber verständlich ist, erscheint dem Professor der Uni Köln zweifelhaft: "Sinnvoll wäre sicherlich die Erläuterung des Begriffs an leicht zugänglicher Stelle", sagt er dem epd. Damit könnte zum Beispiel das Online-Angebot eines Senders gemeint sein.

Hain: Zusammenfassende Wiedergabe keine Sendung

Die Vorschrift zur Kennzeichnung gilt dabei laut Hain nur für die jeweilige Live-Übertragung: "Wenn in zusammenfassenden Berichten, etwa bei der Kurzberichterstattung im Rahmen der Nachrichten, Bildmaterial verwendet wird, in dem virtuelle Werbung geschaltet ist, besteht keine Kennzeichnungspflicht." So werde die Kennzeichnungspflicht "durch die Einfügung virtueller Werbung in Sendungen ausgelöst". Die zusammenfassende Wiedergabe eines Spiels, etwa innerhalb von Nachrichten, sei keine eigene Sendung. In die Nachrichtensendung selbst werde auch keine virtuelle Werbung eingefügt.

Ebenso sieht es der Dortmunder Medienrechtler Tobias Gostomzyk. Auch er hält eine Kennzeichnung von zusammenfassenden Spielberichten, in denen Bildmaterial mit virtueller Werbung enthalten ist, nicht für nötig. So werde "in der Kurzberichterstattung nicht selbst die zu sehende Werbung ersetzt, sondern übernommen", erklärt Gostomzyk auf epd-Nachfrage.

ZDF nach Beitrag aus der Mediathek

Auch nach Auffassung der Landesmedienanstalten, die für die Aufsicht über den privaten Rundfunk zuständig sind, besteht keine Kennzeichnungspflicht bei Spielzusammenfassungen. Es gehe dann nicht mehr um eine Übertragung, für die die Kennzeichnung im Medienstaatsvertrag vorgesehen sei, teilte die gemeinsame Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten dem epd mit.

Anders sah dies das ZDF im Jahr 2023. Damals ging es um einen zusammenfassenden Beitrag über das Testspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Polen in Warschau im Juni 2023, den das ZDF in seiner Mediathek veröffentlichte. Das Bildmaterial in dem sechs Minuten langen Beitrag enthielt virtuell veränderte Bandenwerbung, eine Kennzeichnung gab es nicht. Das ZDF erklärte im September 2023 auf Nachfrage, dass der Beitrag hätte gekennzeichnet werden müssen. Der Sender ergänzte dann aber den Beitrag nicht um entsprechende Hinweise, sondern entschied, ihn komplett aus der Mediathek zu entfernen.

Die Live-Übertragung des Spiels zwischen Polen und Deutschland wurde damals von der ARD im Ersten Programm übertragen. Da virtuelle Werbung - auf Veranlassung des DFB - zum Einsatz kam, kennzeichnete die ARD die Live-Übertragung zu Beginn und am Ende. Nach Darstellung des Senderverbunds war dies ein Novum. Erstmals habe es bei einer Live-Übertragung in der ARD solche Hinweise gegeben.

Virtuelle Werbung bereits 2005 bei Premiere

Virtuelle Werbung bei Sportübertragungen ist kein neues Phänomen. Bereits 2005 kam diese Werbeform beim Pay-TV-Sender Premiere (heute Sky) zum Einsatz, als er Partien des damaligen Ligapokals der zeigte - für die Deutsche Fußball Liga (DFL) war das ein Testlauf. Auch bei der Formel 1, überwiegend bei Sky zu sehen, gibt es virtuell veränderte Werbung schon länger. RTL kann aufgrund einer Vereinbarung mit Sky seit diesem Jahr auch einige Formel-1-Rennen zeigen, hinzu kommen Übertragungen der Qualifyings. Sky wie auch RTL kennzeichnen die Übertragungen entsprechend.

Seit einiger Zeit steigt die Zahl der Sportübertragungen mit virtueller Werbung, nicht zuletzt aufgrund verbesserter Technik. So gab es diese Werbeform auch bei Spielübertragungen von der Eishockey-Weltmeisterschaft, die im Mai in Tschechien stattfand. Alle 64 Partien wurden vom Pay-Anbieter Sportdeutschland TV (SDTV) übertragen. Magenta TV sowie die ProSiebenSat.1-Gruppe erhielten Sublizenzen von SDTV und zeigten ausgewählte Spiele, darunter die des deutschen Teams.

Penny statt Tipsport

Das Schweizer Unternehmen Infront war für das Marketing der WM zuständig und produzierte auch die TV-Übertragungen. In das Sendesignal fügte Infront für die deutschen Sender virtuell veränderte Bandenwerbung ein - allerdings nicht für alle Spielübertragungen, sondern nur für die des deutschen Teams (Gruppenspiele und Viertelfinalpartie) sowie die letzten vier WM-Begegnungen (Finale, Spiel um Platz drei und Halbfinale).

Infront erklärt auf epd-Nachfrage, bei diesen Übertragungen sei bei drei Stadionbanden virtuell die Werbung ausgetauscht worden. So war etwa auf zwei Banden im Fernsehbild jeweils der Name des deutschen Discounters Penny zu sehen - anstelle des tschechischen Wettanbieters Tipsport.

Die virtuell veränderte Bandenwerbung war aber nur mit der Hauptkamera verknüpft. Aus dieser Perspektive werden überwiegend die Spiele gezeigt. Aus allen anderen Kameraperspektiven war wieder die Tipsport-Werbung zu erkennen. Technisch sei es bisher nicht möglich, die virtuelle Werbung auf weiteren Kameras umzusetzen, erklärte dazu Infront.

Zunächst keine Kennzeichnung bei Magenta

ProSieben kennzeichnete die WM-Übertragungen aus Tschechien, die virtuell veränderte Bandenwerbung enthielten. Magenta TV dagegen zunächst nicht. Erst durch eine Anfrage des epd erfuhren die Verantwortlichen davon, dass im Sendesignal virtuelle Werbung hinzugefügt wurde. Man sei zuvor von niemanden darüber informiert worden, sagt ein Magenta-TV-Sprecher. Die vorgeschriebene Kennzeichnung erfolgte dann ab dem Viertelfinale, in dem das deutsche Team aus dem Turnier ausschied.

Infront erklärt, über die virtuelle Werbung habe man SDTV und ProSiebenSat.1 vorab informiert. Beiden habe Infront das Sendesignal direkt bereitgestellt. Magenta TV wiederum habe das Signal von SDTV erhalten, so dass es zwischen Magenta und Infront "keine direkte Beziehung" gegeben habe. Ob SDTV bei den Spielübertragungen auf die virtuelle Werbung hinwies, ist unklar. Das Unternehmen reagierte auf mehrmalige epd-Nachfragen nicht.

Einsatz auch bei Football-Übertragungen

Zum Einsatz kommt virtuelle Werbung auch bei der European League Football (ELF). Im Jahr 2020 wurde sie gegründet wurde, um American Football in Europa zu etablieren, Saisonspiele gibt es seit Juni 2021. Zeljko Karajica ist Chief Execuive Officer (CEO) der ELF und war zuvor viele Jahre Manager bei ProSiebenSat.1. Die Sendergruppe überträgt ELF-Spiele vor allem bei ProSieben Maxx. Die TV-Übertragungen der neuen Saison, die am 25. und 26. Mai startete, beinhalten virtuell eingefügte Werbung von drei Unternehmen, darunter die Molkereiproduktmarke Gazi, die auch Hauptsponsor der ELF ist.

Da virtuelle Werbung im Fernsehbild nur dort erscheinen darf, wo auch im Stadion eine Werbung zu sehen ist, wird auf der Rasenspielfläche viermal das Logo der ELF in weißer Farbe aufgetragen. An diesen Stellen sind dann im TV-Bild die Firmenmarken technisch eingefügt. Auch hier ist die virtuelle Werbung nicht mit allen Kameraperspektiven verbunden. Am ersten Spieltag gab es keine ELF-Logos auf den Spielflächen der beiden Stadien, aus denen die Spiele übertragen wurden. Die virtuelle Werbung der Unternehmen wurde dennoch eingeblendet - was nicht den rechtlichen Vorgaben entsprach.

"Logistische Probleme"

Dass am ersten Spieltag ELF-Logos nicht auf dem Rasen platziert wurden, führt ein Ligasprecher gegenüber dem epd auf "logistische Probleme" zurück, die sich "kurzfristig nicht lösen ließen". Am zweiten Spieltag gab es auf den Rasenflächen Logos der ELF. Laut Liga erfolgt die virtuelle Werbung "in Abstimmung mit ProSiebenSat.1". Ein Sprecher von ProSieben und ProSieben Maxx teilte dem epd mit, man kennzeichne die Übertragungen entsprechend. Die Werbeflächen würden "vom Veranstalter der Liga direkt vermarktet".

In Deutschland ist die Rechtslage zu virtueller Werbung im Fernsehen strikter als in anderen Ländern. In Österreich zum Beispiel ist diese Werbeform auch zulässig, ohne dass am Ort der Veranstaltung eine Werbung zu sehen sein müsste. Ende März gab es beim ORF eine Premiere: Beim Finale des Ski-Weltcups in Saalbach Hinterglemm wurde in die ORF-Übertragung virtuelle Werbung eingefügt. So seien in das Live-Signal grafische Werbelemente "entlang der Strecke anstelle von physischen Werbemittel implementiert" worden, teilen der Österreichische Skiverband und die Sportmarketingagentur Weirather-Wenzel & Partner (WWP) mit. Vorausgegangen seien zwei Jahre Arbeit.

Agentur: Physische Banner "mittelfristig ersetzen"

Kooperationspartner war das britische Unternehmen Supponor, das sich auf virtuelle Werbetechnologien spezialisiert hat. Diese in Ski-Übertragungen umzusetzen, sei herausfordernd, erklärt ein WWP-Sprecher auf epd-Anfrage. Neben technischen Aspekten seien hier viele Beteiligte einzubinden: Ski-Verbände, Rechteinhaber, Fernsehsender und Werbepartner. Das Ziel müsse sein, "dass virtuelle Werbung physische Banner mittelfristig ersetzen wird".

Es gehe darum, virtuelle Werbung in das internationale TV-Signal von Ski-Übertragungen einzufügen, sagt der WWP-Sprecher. Wenn es keine Werbebanner vor Ort an den Rennstrecken gebe, würde dadurch auch der Skisport für die Athleten sicherer.

Doch bis bei Ski-Übertragungen virtuell eingefügte Werbung Standard wird, dürfte es noch einige Zeit dauern. Dafür müssten mehrere Hindernisse überwunden werden, in Deutschland müssten etwa die rechtlichen Vorschriften gelockert werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass virtuelle Werbung technisch einwandfrei funktioniert. Klötzchen im Bild will schließlich niemand sehen.

Volker Nünning Copyright: Foto: privat Darstellung: Autorenbox Text: Volker Nünning ist freier Journalist und regelmäßiger Autor von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 05.06.2024 09:55 Letzte Änderung: 05.06.2024 12:44

Volker Nünning

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Fußball, EM, Werbung, Virtualität, DFB, Sky, DFL, Uefa, Eishockey, vnn, Nünning, Recht, Hain, Gostom, NEU

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