Konsolidieren ohne Kompass - epd medien

24.01.2024 11:18

Es ist einiges los auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt zum Jahresbeginn. "Konsolidierer" schaffen "Synergieeffekte", wo der Blick hinfällt. Ihre PR-Botschaften irritieren.

Die Verantwortung der Zeitungsverleger

epd Gleich drei Tageszeitungsfusionen wurden Mitte Januar binnen weniger Tage öffentlich gemacht. Sie betreffen Traditionsblätter in allen Himmelsrichtungen der Republik und zeigen das seit Jahrzehnten kaum gehemmte Fortschreiten der Pressekonzentration wie unter einem Brennglas.

Die Mediengruppe NOZ/mh:n in Osnabrück machte am 9. Januar den geplanten Verkauf des Zeitungsverlags Schwerin an die SV Gruppe aus Baden-Württemberg publik. Betroffen sind unter anderem die "Schweriner Volkszeitung" und die "Norddeutschen Neuesten Nachrichten" in Rostock. Die SV Gruppe erhoffe sich durch den Kauf "Synergieeffekte, die den Lokaljournalismus in Mecklenburg-Vorpommern und im nördlichen Brandenburg langfristig sichern", sagte Geschäftsführer Lutz Schumacher. Das Unternehmen mit Sitz in Ravensburg, zu dem auch der Schwäbische Verlag gehört, hatte 2021 die Mediengruppe um den "Nordkurier" in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) komplett übernommen.

Nur einen Tag später, am 10. Januar, teilte die Madsack Mediengruppe aus Hannover mit, sie beabsichtigte den vollständigen Erwerb der DDV Mediengruppe aus Dresden. Unter anderem die "Sächsische Zeitung" und die sächsische "Morgenpost" sollen somit unter dem Dach der Mediengruppe aus Hannover eine neue Heimat finden. Auch das klingt nach "Synergieffekten", wobei Madsack dies in seiner Pressemitteilung vorsichtshalber ebenso unerwähnt ließ wie die Tatsache, dass zur Mediengruppe nicht nur die "Leipziger Volkszeitung", sondern auch die "Dresdner Neuesten Nachrichten" gehören.

Grenzüberschreitende Pressekonzentration

Einen Fall von grenzüberschreitender Pressekonzentration meldete schließlich die Mediahuis-Gruppe am 17. Januar: Das europäische Unternehmen mit Sitz in Belgien übernahm das Medienhaus Aachen inzwischen komplett, indem es die verbliebenen 30 Prozent der Anteile von der Rheinischen Post Mediengruppe erwarb. Zum Medienhauses Aachen gehört unter anderem die "Aachener Zeitung", in deren unmittelbarer Nachbarschaft "De Limburger" (Sittard/Niederlande) und "Het Belang van Limburg" (Hasselt/Belgien) erscheinen, die sich ebenfalls bereits im Besitz von Mediahuis befinden.

Im Aachener Pressemarkt kamen "Synergieeffekte" bereits zum Tragen, als das Medienhaus Aachen die "Aachener Zeitung" mit den "Aachener Nachrichten" vor rund einem Jahr verschmolz. Beide Zeitungen unterschieden sich "im Wesentlichen nur noch durch die Zeitungsnamen sowie die Markenfarben Blau und Gelb", hieß es flapsig zur Begründung. Inhaltlich seien beide Blätter bereits seit Jahren fast identisch. Eine Zusammenlegung erscheint vor diesem Hintergrund nur konsequent und ehrlich.

Gefahren für die Demokratie

Und doch irritiert das offen zur Schau gestellte Selbstverständnis manches Verlagsmanagers. Frei nach dem PR-Motto "Tue Gutes und rede darüber" werden zweifelhafte Kernbotschaften verkündet, als bedeute die Ausschaltung von Wettbewerb nicht zugleich den weiteren Verlust der Pressevielfalt im Land, vor dessen Gefahren für die Demokratie gerade auch die Verlegerseite gerne warnt - nämlich dann, wenn es um gute Argumente für eine Presseförderung geht.

Auf die Spitze trieb diese Rhetorik Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert, der anlässlich des Erwerbs der DDV Mediengruppe erklärte, man setze den Weg der Digitalisierung von regionalem Qualitätsjournalismus und die "aktive Rolle als Partner und Konsolidierer im deutschen regionalen Zeitungsmarkt" fort. Ganz so, als ließe sich dieser Markt konsolidieren wie eine Warenhauskette.

Weil dem eben nicht so ist, gelten für Pressefusionen strengere Auflagen als für andere Märkte. Tatsächlich bedürfen die Übernahmen des Zeitungsverlags Schwerin und auch der DDV Mediengruppe der Zustimmung des Bundeskartellamts. Im ersteren Fall gab die Behörde am 23. Januar bereits grünes Licht.

Die Fusionskontrolle im Pressemarkt erwies sich in den vergangenen Jahren zunehmend als stumpfes Schwert - auch, weil der Bundestag die Aufgreifschwellen anhob. Käufe kleinerer Zeitungen können deshalb oftmals gar nicht mehr untersagt werden.

Zeitungsforscher Röper: Copyright: picture alliance/dpa/Revierfoto

Im Umgang mancher Zeitungsverleger mit dem Thema Fusionskontrolle zeigte sich bereits, dass sich einige ihrer Verantwortung für die demokratisch herausragende Bedeutung des sensiblen Marktes, in dem sie agieren, nicht mehr bewusst sind: Das Kartellamt bleibe teilweise deshalb erfolglos, "weil Verlage mit trickreichen Konstruktionen oder der Einschaltung von Strohmännern sich der Kontrolle durch die Kartellwächter entzogen", konstatierte der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper in seinem Artikel zum "Zeitungsmarkt 2022" für die Fachzeitschrift "Media Perspektiven".

Im steten Bemühen um Synergien und die Tilgung redaktioneller Konkurrenz scheint manchem Konsolidierer der Regionalzeitungsbranche der verlegerische Kompass abhandengekommen zu sein. Mögen die neuen Eigentümer der "Schweriner Volkszeitung", der "Sächsischen Zeitung" und der "Aachener Nachrichten" die Pressevielfalt nicht aus den Augen verlieren.

Ellen Nebel Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Ellen Nebel ist Redakteurin bei epd medien.



Zuerst veröffentlicht 24.01.2024 12:18 Letzte Änderung: 24.01.2024 12:58

Ellen Nebel