ProSiebenSat.1: Vorstand und Aufsichtsrat stellen sich gegen MFE - epd medien

02.04.2024 07:00

MFE, der größte Minderheitseigner des Medienkonzerns ProSiebenSat.1, hat vor der Hauptversammlung am 30. April gefordert, das Unternehmen aufzuspalten. Diese Forderung wird vom Vorstand und dem Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 ebenso abgelehnt wie die Vorschläge von MFE für die Besetzung des Aufsichtsrats.

ProSiebenSat.1 will keine Konzerntöchter abspalten

Unterföhring (epd). ProSiebenSat.1 stellt sich gegen die Pläne des größten Minderheitseigners MFE, Konzerntöchter abzuspalten. Vorstand und Aufsichtsrat lehnten die Anträge des italienischen Unternehmens, an dessen Spitze Pier Silvio Berlusconi steht, für die Hauptversammlung am 30. April ab, teilte der Konzern am 27. März mit. Die von MFE geforderte Aufspaltung des Unternehmens sei nicht sinnvoll, befanden die beiden Gremien.

Vorstand und Aufsichtsrat der ProSiebenSat.1 Media SE fokussierten sich seit einem Jahr konsequent auf das Entertainment-Segment, teilte der Konzern mit. Der Vorstand prüfe laufend mögliche Schritte und bereite die Verkäufe einzelner Beteiligungen in den Segmenten Commerce & Ventures und Dating & Video vor, die über die nächsten 12 bis 18 Monate wertmaximierend erfolgen sollen.

Bei einer Aufspaltung würde sich der Verschuldungsgrad von ProSiebenSat.1 erheblich erhöhen und damit strategische Akquisitionen und eine übliche Dividendenpolitik unmöglich machen. Die Aufspaltung liegt nach Auffassung von Vorstand und Aufsichtsrat im singulären Interesse von MFE, nicht aber im Interesse aller übrigen Aktionäre.

Zudem würde dies den Unternehmenswert von ProSiebenSat.1 reduzieren, teilten Vorstand und Aufsichtsrat mit. Bei gleichzeitig unveränderter Nettoverschuldung würde der Eigenkapitalwert der ProSiebenSat.1 Media SE entsprechend sinken. Die Marktkapitalisierung des verbleibenden Unternehmens wäre dadurch voraussichtlich äußerst gering. Das hätte auch negative Auswirkungen auf die Attraktivität der ProSiebenSat.1-Aktie.

Neue Mitglieder für Aufsichtsrat vorgeschlagen

Eine Absage erteilten Vorstand und Aufsichtsrat auch dem MFE-Antrag, dass der ehemalige italienische Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young - Simone Scettri - Aufsichtsratsmitglied Rolf Nonnenmacher ersetzen soll. Dies würde unter anderem zu einer Überrepräsentation der großen Minderheitsaktionäre führen. Bereits jetzt gehörten mit Katharina Behrends und Klara Brachtlova

dem Aufsichtsrat zwei Mitglieder an, die enge Verbindungen zu MFE und dem zweiten großen Minderheitsaktionär, der tschechichen PPF Group hätten.

Nach Darstellung von ProSieben Sat.1 ist Rolf Nonnenmacher "einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftsprüfer und ein ausgewiesener Experte auf den Gebieten der Rechnungslegung, der internen Kontroll- und Risikomanagementsysteme und der Abschlussprüfung". Der Konzern verwies darauf, dass EY Deutschland von 2019 bis 2023 Abschlussprüfer der ProSiebenSat.1 Group und auch von Jochen Schweizer mydays gewesen sei. In dieser Zeit habe EY Verstöße gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bei Jochen Schweizer mydays nicht beanstandet.

ProSiebenSat.1 hatte im vergangenen Jahr die Publikation der Jahresbilanz wegen "regulatorischer Fragestellungen" bei der Tochter Jochen Schweizer Mydays um fast zwei Monate verschieben müssen. Der seit November 2022 amtierende Vorstandsvorsitzende Bert Habets sagte Ende April 2023, die Fragen seien "zeitnah, aber vor allem mit der gebotenen Sorgfalt" aufgearbeitet worden. Das Produktangebot sei angepasst worden, hierfür sei keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mehr erforderlich.

Finanzielle Belastungen

ProSiebenSat.1 teilte damals mit, die Staatsanwaltschaft München I habe einen "Beobachtungsvorgang" eingeleitet. ProSiebenSat.1 und die betroffene Tochter kooperierten umfassend mit den Behörden. Nach Darstellung des Konzerns waren die möglichen finanziellen Belastungen für den Konzern im Zusammenhang mit den behördlichen Untersuchungen zum damaligen Zeitpunkt "nicht abschätzbar, könnten aber erheblich sein".

Auch der Forderung der MFE, das derzeit bestehende genehmigte Kapital durch neues eingeschränktes genehmigtes Kapital zu ersetzen, lehnten Vorstand und Aufsichtsrat ab. Dies würde ProSiebenSat.1 die Möglichkeit nehmen, Kapital schnell und flexibel aufzunehmen oder neue Aktien als Gegenleistung für mögliche Akquisitionsvorhaben einzusetzen. Vorstand und Aufsichtsrat sind der Überzeugung, dass dies nicht im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre sei.

Die Beteiligungsstruktur von ProSiebenSat.1 hat sich in der Vergangenheit mehrfach verändert. Der tschechische Mischkonzern PPF Group war Anfang 2023 eingestiegen und erhöhte im Juni vergangenen Jahres seine Beteiligung am Konzern auf 11,6 Prozent der Stimmrechte. Größter Einzelaktionär von ProSiebenSat.1 ist Media For Europe (MFE), die Firma der Familie des früheren, inzwischen verstorbenen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, die aktuell eine Kapitalbeteiligung von 26,58 Prozent hält.

cd/dir



Zuerst veröffentlicht 02.04.2024 09:00 Letzte Änderung: 02.04.2024 09:55

Schlagworte: Medien, Medienwirtschaft, Konzerne, Fernsehen, ProSiebenSat.1, NEU

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